Dialekt und anderes

Franz Lanthaler


s Essite (1. Teil)

Essen: Lebensmittel

Früher waren die Bergbauern, ja wohl alle Bauern im Passeier, Selbstversorger, zumindest, was s Essite (die Nahrung) betrifft. Bis auf ganz wenige Nahrungsmittel, die auf der Höhe nicht gediehen, produzierten sie alles selber. Ich werde im Folgenden beschreiben, wie ich es bei uns auf Saltnuss bis in die 50er Jahre erlebt habe. Das heißt nicht, dass es überall genauso war, aber da es hier um den Wortschatz rund um das Essen geht, dürfte es keine großen Abweichungen gegeben haben.

Sëiln Foto: Barbara Lanthaler Sëiln

Bei uns auf dem Hof auf über 1600 m gediehen noch Roggn, Eertëpfl und Ruëbm fürs Kraut. Die Gerschte reifte nur in guten Jahren; es konnte also sein, dass sie gekauft werden musste. Woazn und Schwårzplentn (Buchweizen) gediehen nur bis Gomion, mussten wir ebenso zukaufen wie s Tirggine (Polentamehl), das nicht nur für die Polenta, sondern eine weiße Sorte davon auch für das Mus verwendet wurde, wie auch die getrockneten Këschtn, die wir gewöhnlich aus Schenna bezogen, und die Sëiln (Bohnen), die für die Passeirer Art der Sëilsuppe unerlässlich waren. In den 50er Jahren haben manche dann angefangen Butter zu verkaufen und mit gekauftem Speckschmålz (Schweinefett) zu kochen. Das hat meine Mutter immer strikt abgelehnt. S guëte Zuig ferkaafn und ëppis Lëtzis essn, sell will ii nit, pflegte sie zu sagen.

Schwårzplentn Foto: Franz Lanthaler Schwårzplentn

In einer niederen Kammer unter dem Dach, wo auch der Speck und das ggselchte Flaisch hingen, war eine Truhe, in der die gedörrten und geschälten Kastanien in einer Abteilung lagen, in einer daneben das Weizenmehl und in einer anderen das Plentine. Den weißen Tirkn (Mais) für s Muësmeel hat immer einer in der Familie gemahlen, zunächst der Vater, später mein Bruder Heinrich, denn die Körnung musste genau stimmen, sonst hätte das Mus geschmeckt wie ein Babybrei.

Fast alles andere, wie gesagt, produzierten wir selber, denn Fleisch, Milch und das nötigste Gemüse hatten wir. Griëns Flaisch (Frischfleisch) gab es nur, wenn geschlachtet wurde und wenn im Sommer auf der Weide ein Tier ferkuuglt (abgestürzt) ist, wo das Fleisch dann gleichmäßig auf die Nachbarn aufgeteilt wurde (siehe Tierisches 3). Im Spätherbst wurden ein paar Happ (Kleinvieh), ein Minnich oder Ggstraun (kastrierter Ziegenbock oder ein Hammel) und ein, zwei Schafe geschlachtet und vor Weihnachten zwei Fåckn (Schweine), die neben dem Speck auch noch genug Fleisch fürs Praatl für die Feiertage wie Nuijoor und Kiinigntoog abwarfen. Das meiste Fleisch der geschlachteten Tiere wurde in handliche Henkl gehackt und inggsuurt (eingepökelt). Dazu wurde es schichtenweise in einen verschraubbaren Kübel, den Schraufkiibl gegeben, und über jede Lage von Henkl wurde Salz gestreut. Der Kübel wurde so fest verschraubt, dass oben die Salzlake austrat. Enige Wochen stand das Suurflaisch so im Keller und wurde dann in der Aasn oder auf einem Ggårgger im Keem geselcht. Einiges wurde auch giwurschtit und auch die Würste wurden natürlich geselcht. Schuublwirschte (Würste, in die auch Innereien kamen) gab es bei uns nie. Warum die Därme der Schafe, die bei uns nach einer aufwändigen Säuberung für die Würste verwendet wurden, Soatling heißen, verstand ich erst später, als ich erfuhr, dass die Darmsaiten für Streich- und Zupfinstrumente seit urdenklichen Zeiten aus Schafdarm bestanden.

Die ausgipuëndertn Specksaitn (entbeinten Schweinehälften) wurden im Keller in einer kleinen getäfelten Kammer, wo auch die Fuuge (Zentrifuge), ein Zuegg-Marmeladekübel, einige Mëidiler Schmålz (Butterformen) und ein Stotz (hölzerner Behälter) mit inggsoutnin Schmålz (Butterschmalz) sowie d’ingikalchtn Oare (in Kalk gelegte Eier) standen, auf Bretter gelegt und mit einer Mischung aus Salz und Gewürzen bestreut. Dieses Rezept war so geheim, dass der Vater es nur meinen ältesten Geschwistern weitergab. Dass Kraanewittpëir (Wacholderbeeren) und Pfeffer dabei vorherrschend waren, war offensichtlich. Ich musste alle Tage in den Keller gehen und die Pökelmischung, die sich auf den Saitn verflüssigte, gleichmäßig verstreichen, dass nicht der Bauchspeck raaß und Håmmin und Schulter laabilit (salz- und geschmacklos) wurden und dass vor allem keine Milben dazukamen.

Schmålzmëidile Foto: Florian Lanthaler Schmålzmëidile

Danach wurden die Saitn in der Aasn (Decke der Rauchküche) aufgehängt, wo mehrere Stangen durchgingen. Da die unsere eine gute Aasn war, hingen auch Nachbarn ihren Speck oft dort auf und, um Platz zu schaffen, wurden manchmal einzelne Saitn halbiert und in den Keem (Kamin) gehängt. Der Rauch vom Spoorheert – bei uns ein gemauerter Herd mit zwei Kochstellen – wurde durch ein Rohr an die Decke geleitet und zog dort um den Speck herum, bevor er in der anderen Ecke im Keem verschwand. Dasselbe geschah mit dem Rauch aus dem Stubenofen, welcher von der Küche aus beheizt wurde. Wenn alles abgebrannt war, wurden oft noch Kraanewittraiser (Wacholderzweige) auf die Glut gelegt, um dem Speck Aroma und Geschmack zu geben. In der Nacht wurde eine Scheibe des Küchenfensters, die extra gerahmt war, geöffnet, sodass Speck und Fleisch in der Aasn und im Keem auch luftgeselcht wurden.

Da man die Ferkel meist nicht selber züchtete – nur zweimal während meiner Kindheit hielten wir selber eine Facklsau (Mutterschwein) –, wurden sie im Spätwinter auf dem Markt gekauft, wobei mein Vater immer dazu schaute a tiënite Gåttign (gut gedeihende Art) zu erwischen. Falls die Tiere jedoch zu viel Fett ansetzten, wurde das überschüssige davon beim Auspuëndern (Engtbeinen) enfernt und ausgilåt (zerlassen), wobei von den Fettwürfeln nur mehr Gruipm (Grammeln) als feste Teile blieben, die wir dann in der Suppe aßen. Die Schwainfettn (Schweineschmalz) wurde dann natürlich zum Kochen verwendet, nicht jedoch zum Backen.

Für unser Überleben wichtiger als das Fleisch war jedoch die Milch, denn es gab kaum eine Mahlzeit ohne sie, ob gekocht oder in rohem Zustand. Die Milchwirtschaft am Hof wechselte mit dem Jahreslauf. Im Spätwinter oder früh im Langis (Frühjahr) sollten mehrere Kühe këlbern (kalben), sodass man im Sommer, wo es genügend Frischfutter gab, viel Milch zu Schmålz (Butter) verarbeiten und einiges davon für den Winter insiëdn (einkochen) konnte. Dazu kam die Milch der Ziegen (siehe Happfiich), die vor Ostern kitzten. Die Goaßmilch war das wichtigste Nahrunhgsmittel im Sommer. Obwohl wir, wie jeder Bauer in Saltnuss, mehr als 20 Ziegen hatten, wurde diese Milch fast gänzlich für den täglichen Gebrauch bestimmt; nur gelegentlich wurden kleine Überschüsse mit der Kuhmilch ooërgitriibm (zentrifugiert), da niemand damals Goaßschmålz (Ziegenbutter) wollte. Diese Milch wurde nur roh gegessen und in den traditionellen Speisen Muës, Riibl, Knëidl usw., manchmal mit ooërgitriibmer Kuëmilch vermischt, verkocht. Nur im Kaffee – wir tranken wenig davon und wenn, dann fast nur Milchkaffee – mochte sie bei uns niemand. Bei jeder Hauptmahlzeit standen an zwei Ecken des Tisches emaillierte Schüsseln mit guëter Milch (Vollmilch), aus denen zu den meisten Speisen, wie Riibl, Muës, Plentn, gireaschtit’Eertëpfl abwechselnd ein Löffel feste Speise, ein Löffel Milch gegessen wurde.

Riibl Foto: Franz Lanthaler Riibl

Auch wenn es im Sommer auf dem Hof mehr Esser gab, weil die Sommerarbeit und das Hüten zusätzliche Eahåltn (Dienstboten) und Hirtn brauchte, konnte man trotzdem, wie gesagt, für den Winter genug inggsoutns Schmålz (Butterschmalz) im Keller horten. Für uns Kinder war die Trouse, der ‘flockige Ausfall’, der sich beim Einkochen der Butter bildete, eine besondere Leckerei, die heute niemand mehr kennt. Da man jetzt nur mehr Butter kauft und nicht mehr selber Schmålz macht, wissen viele nicht mehr, dass der Putter für uns der ‘Schlagrahm’ war, den es allerdings sehr selten gab, und dass ‘die Butter’ s Schmålz hieß. Dieses wurde nach dem Kiibiletraibm zunächst zu einem Knolln geformt, aus dem die Kiiblmilch (Buttermilch) sauber herausgewaschen wurde. Dann wurden mit dem Mëidile, in dessen Boden meist eine Blumenform eingeschnitten war, etwa ½ Kilo schwere Formen gebildet. Was man so mit dem Löffel abstach und in die Pfanne gab, war a Patzl; deshalb auch der Spruch: Mit Gidult und an Patzl Schmålz geat ålls. Selbstverständlich haben wir auch die Kiiblmilch zu Marende gegessen.

Käse war bei uns Mangelware. Unsere Mutter hat zwar gelegentlich Kaas gemacht, und zwar sowohl einen saurn (Graukäse) als auch einen siëßn (normaler Almkäse), aber da unsere Milchwirtschaft, wie beschrieben, ganz anders ausgerichtet war, wozu ja noch die Kälberzucht kam, blieb fürs Kaasn selten etwas übrig.

Da heute so viel von “Heumilch” die Rede ist, sollte ich vielleicht erwähnen, dass wir nur solche hatten. Die Kühe und Ziegen bekamen nur frisches Gras und Heu, und das bisschen Miëte (Kraftfutter) bestand aus Grischn (Kleie), Palln (Heublumen) und etwas Salz. Allerdings gab es den Spruch: di Kråft isch in di Grischn. Es gab keine Silage und es wurde auch kein Kunstmist ausgebracht. Trotzdem hat man, wenn kleine Kinder die Flasche bekamen, manchmal nur die Milch einer bestimmten Kuh für die Pappe (Kinderbrei) genommen, die mit dem Heu einer mageren Wiese gefüttert wurde. Knouflmilch, heiße Milch mit Knoblauch, wurde nur als Mittel gegen Würmer eingesetzt.

Oare hatten wir meist genug. Wenn die Hennen im Herbst das Legen einstellten, hatte man schon viele Eier ingikalcht (in Kalk gelegt). Dazu kamen die Draißingoare. Das waren die Eier, die zwischen Hoachnserfrauintoog (15. August) und Lëschterinserfrauintoog (8. September) gelegt worden waren, die sehr lange hielten. Oare brauchte es vor allem für die Knëidl, den Riibl, für Kiëchl und Straubm und für den Turtn (Kuchen), den es allerdings nur zu besonderen Gelegenheiten gab. Oar’in Schmålz oder Oxnaugn waren nur gelegentlich der Schnellimbiss für jemanden, der nicht zum gemeinsamen Essen da war. Hart gekochte Eier nahmen wir mit, wenn wir eine längere Wanderung oder eine Fahrt machen mussten. Dass Hühnerfleisch verpönt war, kommt uns heute sonderbar vor, aber tatsächlich wären die meisten lieber verhungert als eine Hühnersuppe zu essen.

Ein wichtiger Bestandteil unserer Enährung waren die Eertëpfl. Sie waren oft auf drei kleine Äcker verteilt und dann noch in einem Streifen des Kornackers. Beim Eertëpflgroobm oder -­außertiën, wie wir auch sagten, hatte immer jeder zwei Körbe vor sich, in einen kamen die guten Esserdäpfel, in den andern die kleinen Fåckneertëpfl, die dann im Keller in einen eigenen Kotter (Verschlag) kamen.

Da wir zwei Gärten hatten, einen unter dem Haus und einen auf Mutters Erbteil auf Hütt, hatten wir reichlich Gemüse. Neben mehreren Pëttler (Beete) Soolit, gab es Arbissn (Erbsen), Zwiifl, Schnittl, Kraitl (Petersil), Paaslguëm (Basilikum), Schellile (Sellerie), Koulraabe, Koobis, Geelriëbm, Roon(in) und Raatig. Natürlich hatten wir wie fast alle ein Pëttl Gråmilln (Kamillen), deren Tee sowohl zum Trinken wie zum Aulëign für viele Wehwehchen gefragt war. In unserem Garten war auch eine Staude Luutsteckn (Levistikum), das mein Vater brauchte, wenn es bei Kühen gesundheitliche Probleme gab – aber das ist ein anderes Kapitel. Den Proatklea (Trigonella) nicht zu vergessen. Kiim (Kümmel) und Anis konnten wir uns in der Wiese holen. Karfiol kannten wir nicht und Moonitraatig (Radieschen) kamen erst später dazu, ich glaube, in den späten Fünfzigern. Das Wurzelgemüsse wurde im Herbst im Keller inggschloogn (in Sand gelegt), sodass man es bis weit in den Winter hinein halten konnte. Für das Kraut gab es einen ganzen Ackerstreifen mit Ruëbm (Krautrüben), die erst spät im Herbst geerntet wurden. Eine Rübe wurde meist als Soomerin gehalten, sodass man die Qualität halten konnte und sich nicht von anderen abhängig machte.

Moonitraatig Foto: Florian Lanthaler Moonitraatig

Um die Rüben vom Grünzeug zu befreien, gab es ein eigenes Krautmësser. Sie wurden dann inggstoaßn, d.h. mit dem Krauthoubl oder auf der Krautstoaße ggstoaßn (in feine Streifen geschnitten) und ins Krautfåss gegeben, zum ganzen Vorgang sagte man auch kraitern. Das Fass wurde dann zugedeckt und oonggschwaart (mit Steinen beschwert), Kraut poaßn hieß das. Das Wort poaßn ist natürlich dasselbe wie hochdeutsch ‘beizen’, aber es steht in manchen Dialekten eben auch für ‘gären’ oder ‘die Milch gerinnen machen’. Neben Kitzrenne und Lab vom Kälbermagen hat man früher anscheinend auch manchmal Berberitzen für die Fermentierung verwendet, weshalb sie bei uns Poaßlpëir heißen. Das nur nebenbei, denn für das Kraut brauchte man sie natürlich nicht.

Poaßlpëir Foto: Franz Lanthaler Poaßlpëir

Neben den oben genannten Kräutern hatten wir nicht sehr viele Gewürze. Die bereits genannten Kraanewittpëir, die wir im Wald fanden, und Pfeffer natürlich, den wir ebenso kaufen mussten wie Naigiwirz (Nelkenpfeffer), Raaßenaagiler (Gewürznelken), Ziimit (Zimt) für den Milchreis und Paprika fürs Ggollasch. Raaßenaagiler hat man nicht nur für den Tee und später für den Glühwein gebraucht, sondern wenn man Reis als Beilage gekocht hat, wurde immer eine halbe Zwiebel mitgekocht, in die man einige Gewürznelken gesteckt hat.

Wesentlichen Anteil an unserer Ernährung hatte s Proat, womit vor allem das Roggenbrot gemeint ist, das zweimal im Jahr gebacken wurde. Di Paarler wurden in einer Kammer Rücken an Rücken aufgestellt und so getrocknet und dann in einer Truhe aufbewahrt. Am Schluss wurde noch einmal ein festerer Teig geknetet und daraus wurden die Zeltn, mit kleingeschnittenen Feigen, und Struuzn geformt. Sprouzer (Gebildbrote in Form von Männchen), die man von Pill kennt, gab es bei uns nicht. Die Zeltn waren groß, meist gut 30 cm im Durchmesser und vier, fünf cm dick. Die Struuzn hatten die Form von einem Kummet. Jeder Nachbar bekam nach dem Brotbacken einen Zeltn, einen Struuzn und fünf Paarler als Kostprobe. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie meine Mutter zu meiner ältesten Schwester sagte, in den Zelten für einen bestimmten Nachbarn solle sie nicht allzu viele Feigen tun: wail fi den hoobmer s Lëschtemåll aa lai an hålpsplintn gikriëgg (denn von dem haben wir letztes Mal auch nur einen mit ganz wenig Einlagen bekommen), wie sie meinte. Plinte Zeltn (ohne Einlage) gab es nur, wenn die Feignringe, die man eingekauft hatte, aufgebraucht waren.

Den Rohstoff für das Brot, s Kourn Vom Kourn zum Brot soll in einem eigenen Artikel beschrieben werden. (den Roggen) lieferte der große Acker zwischen unserem Stadel und der Timmelsjochstraße. Mein Vater hat zwar keine geregelte Dreifelderwirtschaft betrieben, aber er hat immer wieder in einem Stück des großen Ackers Erdäpfel gesetzt oder Gerste untergitoon (angebaut) und dafür in einem der kleineren Äcker Kourn angebaut und dann wieder ein Stück des Ackers oder einen kleineren Acker zuëliign gilåt (brach liegen lassen). Außerdem hat er auch dem Kornacker viel Mist gegeben, was von einigen Nachbarn belächelt wurde: der Kuntner groop in Misch in Åcker oubm in (der Kuntner vergräbt den Mist droben im Acker). Der Spott verstummte, als wir dann auch in einem schlechten Jahr über 25 Star Roggen ausdreschen konnten, während andere nur halbleere Eecher (Ähren) hatten.

Am Sonntag nooch Kirchn (nach der Messe) holte jemand von der Familie beim Wirt, der auch einen kleinen Laden betrieb, zwei Wëggn zum Knëidlproat, denn dafür brauchte es Weißbrot. Als Kinder erbaten wir uns manchmal a lints Proat (weiches Weißbrot) statt des hërtn, aber das bekamen wir nur alle heiligen Zeiten. Die saloppe Bezeichnung Pims für das Brot müssen die Männer aus dem Krieg mitgebracht haben.

Ende der Vierziger gabs für Kinder nach dem Kirchn manchmal a Waimerstriizl. Das waren kleine Rosinenbrote in Weckenform.

Es gab – und das wird aus dem Obigen klar – vieles, was wir kaum oder gar nicht kannten.

Den ersten Reis hab ich 1946 oder 47 gegessen: ein Finanzer – die holten bei uns täglich die Milch – brachte uns eine Schüssel Risotto, den sie zu reichlich gekocht hatten, weil einige von der Mannschaft nicht in der Kaserne (im Roten Haus über uns) waren. Der schwamm in Öl, und meine Naandl (Oma), die Poudnermuëter, die immer scharf auf Fett war, aß das löffelweise weg. Mein Vater erzählte, dass er den ersten Reis 1916, als er beim österreichischen Heer am Vioz stationiert war, zu essen bekam.

Nudeln hatten wir sogar unsere eigenen. Ende der 40er Jahre hat unsere Mutter mithilfe eines Vorsatzes am Fleischwolf Maccheroni produziert; eines von uns Kindern trieb den Teig durch und sie schnitt die Nudeln in der richtigen Länge ab. Da waren wir allerdings eine Ausnahme, weil Mutter eben in Modena die Hebammenschule besucht hatte. Der Sugo wurde allerdings nur mit Tomatenkonzentrat gekocht.

Dass wir Kastanien kauften, hab ich schon erzählt, denn in die Krapfen kam nur Këschtnfille. Aber einen Stotz Erdbeermarmelade von Zuegg gab es auch jedes Jahr; die war für die Proatkiëchl bestimmt. Sonst gab es von Marmelade nur Hiimper-, Glaan- und Schwårzpersulze, also von wilden Beeren. Houler gab es bei uns in Saltnuss damals nicht, aber da eine Tante von mir in Ilbme (Ilmach) eine Houlerhëgge hatte, bekamen wir manchmal Holunderbeeren und die Mutter oder die Schwestern machten Houlersulze daraus.

Obst hatten wir kaum. Nur im Herbst, wenn die Laaniner die Bienen abholten, die sie bei unserem Nachbarn stehen hatten, brachten sie auch für uns ein, zwei Steigen Fållëpfl mit. Wir mussten dann natürlich jedes Mal fragen: Muëter, tårf ii – oder: moog ii – an Ëpfl hoobm? Und zu Weihnachten lagen bei den Socken oder Tåttlin, die s Krischkindl brachte, manchmal zwei Äpfel und ein paar Nussn – ach, ja, Puxiler (Johannisbrot) waren auch gelegentlich dabei. Wenn jemand auswärts ging und aus einem Geschäft oder von einem Markt einige Äpfel mitbrachte, gab es einen Ëpflriibl; meist war es ein plenter Riibl mit ganz kleinen Apfelstückchen. An Ëpflstruudl war nicht zu denken; das hätte für die große Familie viel zu viele Äpfel gebraucht. Meine erste Pumerantsche (Orange) hab ich noch während des Krieges von einem italienischen Ehepaar bekommen, das, wie ich glaube, die Dolmetscherkünste unserer Mutter in Anspruch nahm.

Meine erste Erinnerung an Tschuggilaare (Schokolade) geht auf das Frühjahr 1945 zurück. Ein Unteroffizier der Wehrmacht auf der Flucht sitzt auf unserer Ofenbank und zählt kleine Schokoladeriegel in einen Koffer, während ich auf der Oufnprugge (Liegeboden über dem Bauernofen) liege und von oben herunterstarre. Ich wusste nur vom Hörensagen, worum es sich da handelte. Er hat mir kein Stückchen gegeben; wahrscheinlich haben sie die Amerikaner im Ötztal ihm dann abgenommen.

Tschuggilaare Foto: Florian Lanthaler Tschuggilaare

Zugger war natürlich notwendig für Sulzn und fürs Gipåchne. Während des Krieges und auch kurz danach war er oft geellecht (gelblich) und die Körner verklebten sich leicht, weil er nicht so sauber raffiniert war wie wir ihn heute haben. Den Ausdruck Pruusnzugger, wie ihn meine Schwägerin Anna im Psairerplattl beschreibt, kannten wir nicht. Nach dem Krieg wurden Kaffee und Tee bei uns mit Zacheriin (Saccharin) gesüßt. Der Süßstoff kam in winzigen Tabletten übers Timmelsjoch, und ich musste manchmal einen Rucksack voll (natürlich nicht nur für uns) beim Pfandler Luis im Schiënauer Mous holen, über die Oubere Ålbe heraus und über den Pick herunter, hinter dem Roten Haus, der Kaserne der Finanzer, vorbei durch die obere Tür ins Haus bringen, während unten in der Küche zwei von denen auf die Milch warteten. Irgend jemand hat den später abgeholt und übers Wanserjoch ins Sarntal gebracht.

Nur drei oder vier Bauern hatten Bienen und die Ausbeute war bei der damaligen Imkerei gering, weshalb s Heenig (der Honig) sehr kostbar war. Als mein Bruder einen schlimmen Husten hatte, bat Mutter den Nachbarn um etwas Honig und er gab ihr auf einem Stück Papier vom Sunntigsplattl oder Folkspoute etwa einen Teelöffel voll davon.

Ein Wirschtl (Frankfurter) mit Senf hab ich zum ersten Mal kurz nach dem Krieg beim Parthanes in Meran am Nachbartisch gesehen, als ich mit meinem Vater vom Markt in Lana kam und dort auf das Poschaute wartete.

Dass es in der Stadt kurz nach dem Krieg schon Tschelatti gab, hab ich aus Erzählungen meiner Geschwister erfahren; das erste Eis hab ich dann gegessen, als ich in Brixen in der Mittelschule war.

Kleinere Kinder bekamen natürlich ab und zu, wenn jemand auf den Markt ging oder zum Tokter oder zum Einkaufen nach Moos oder St. Leonhard, a Guëts, das entweder a Zuggerle oder a Pappile (Keks) war. Geburts- und Namenstage wurden bei uns nicht gefeiert, daher gab es dazu auch kein besonderes Essen.

Vom Trinken haben wir noch nicht geredet. Das war ziemlich einfach: Wir tranken Wasser. Auf der Küchenbank neben dem Herd stand immer eine Kåndl voll Wasser, das man vom Brunnen ober dem Haus geholt hatte, und wer Durst hatte, trank es mit der Kelle, die darüber hing. Im Winter musste man manchmal, wenn man vor dem Schlafengehen noch einen Schluck trinken wollte, eine dünne Eisschicht auf dem Eimer aufschlagen, weil für den Speck, der in der Aasn hing, während der Nacht immer ein Teil des Küchenfensters offen war, wie oben beschrieben.

Als wir auf Fëss Anfang der 50er Jahre noch in der alten Kaaser waren, musste man fast 100 m ums Wasser gehen, wo am Hang unterm Hoachpiichl noch ein Zinsile (ganz kleines Rinnsal) rann.

Dass zu jedem Essen zwei kleinere Schüsseln Milch auf dem Tisch standen, hab ich schon erzählt. Manchmal trank man auch Milch zwischendurch. Einmal, als ich an einem heißen Sommertag im Hoachmood mit dem Liënile Sepp die Kälber hütete und weit von jedem Wasser entfernt war, waren gerade unsere Ziegen in der Nähe. Da hab ich mir aus dem Euter von einer von ihnen etwas Ziegenmilch in den Mund gemolken.

Wie bereits gesagt, tranken wir wenig Kaffe und nur Milchkaffee, und zwar war es Faignkåffee, der im Karton eine eher klebrige Masse bildete. Nur meine Mutter machte eine Ausnahme; sie hatte manchmal Bohnenkaffee, den sie zeitlebens selbst in der Mühle gemahlen hat. Allerdings trank sie ihn schwarz und immer stark verlängert, mit viel Zucker. Geröstete Gerste wie früher oder Lupinenkerne wie anderswo, kannten wir nicht.

Der Tee, den wir tranken, war dünner russischer Schwarztee mit etwas Zucker oder Zacheriin.

In den Fünfzigern hatten wir dann schon gelegentlich Wein im Keller. Ein Panzile (Fass) musste sehr lange reichen, und gegen Ende ging er dann schon oft koonig (kahmig, schimmelig). Man trank ihn meist nur zu besonderen Gelegenheiten, wenn Gäste kamen, zu sehr harter Arbeit, beim Heutragen im Tee und gegen Kopfschmerzen im Kaffee.

Eine Schnapsflasche stand immer im Wåntkaschtl in der Stube. Der Treber war für medizinische Zwecke gedacht, gegen Magenverstimmung oder Erkältung; allerdings nur für Männer. Was man daheim in kleinen Schlucken aus der Flasche genoss, wurde in früheren Zeiten beim Wirt oft in rauen Mengen hinuntergeschüttet. Denn, wenn gesoffen wurde, war es in der Zwischenkriegszeit noch eher Schnaps als der damals dünne Vernatsch. Von meinem Neene (Großvater) hat man erzählt, dass er auf Föss mit drei Kollegen Karten spielte (um viel Geld!), wobei sie immer wieder mit einer Këlle Schnaps aus der Kåndl tranken. Und als die leer war, schickten sie einen Buben mit einem Pitterle auf den Schneeberg um Nachschub. Aber das war vor meiner Zeit.

"Essen"

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