Dialekt und anderes

Franz Lanthaler


oonggstochn oder guët au

Trunkenheit

Bei der Vorstellung des Ridnauner Wörterbuchs hat Prof. Max Siller die Reichhaltigkeit der Ausdrücke für das hervorgehoben, was man allgemein als Umgang mit Alkohol und seine Wirkung beschreiben könnte. Dabei ist mir klar geworden, dass das natürlich auch für das Psairerische gilt wie wohl für die meisten Dialekte. Getrunken hat man ja schon immer, und oft mehr als man sich leisten konnte. Daher haben die Leute auch eine Reihe von Ausdrücken, sowohl für diese Beschäftigung selbst wie für die Zustände, die sie zur Folge hat.

In unserer Kultur war der Umgang mit Alkohol zwar nicht auf seltene gesellschaftliche Ereignisse beschränkt, er gehörte allerdings auch nicht zum Alltag der meisten Menschen.

So wie in der Standardsprache gibt es natürlich trinkn, saufn usw. Wenn von teeglin die Rede ist, dann ist meist ein Zechgelage von mehreren gemeint. Woher lumpmin kommt, ist klar, es heißt aber noch nicht, dass einer, ders gelegentlich tut, ein richtiger Lump ist. Wenn einer im Gasthaus huckn plaip, dann bedeutet das, dass er sich dort nicht trocken versitzt. Es kann auch sein, dass einer sipflt, was ursprünglich die Bedeutung hatte, dass man in kleinen Schlucken trinkt, was aber die Bedeutung angenommen hat, dass jemand häufig oder ausdauernd trinkt. So einer muss nicht ein Trunkenbold sein, aber er ist sicher einer, der immer wieder am Glas hängt und den es auch gern wieder einmal fertrågg, was dann wieder heißt, dass er doch etwas zu viel erwischt. Dazu passt auch aulëign. Wenn einer allerdings ourntlich augilëgg håt, dann hat er schon ziemlich zu viel erwischt.

Ein bildhafter Ausdruck aus der bäuerlichen Welt für den Alkoholkonsum wäre nåss fiëtern, und einer, der das häufig tut, ist dann a nåsser Pruëder. Für einmaliges wie für gewohnheitsmäßiges Trinken gibt es die Ausdrücke saufn, pipplin, ploosn, tuudlin, schnapslin. Das Letzte war früher sehr stark verbreitet, weil der aus den Trestern gewonnene Schnaps – den man jetzt leider Grappa getauft hat – relativ billig war. Mein Vater hat erzählt, dass vor dem 1. Weltkrieg eine Gruppe von Kartenspielern auf Föss Schnaps mit der Kelle aus einem kleinen Schaff getrunken hat, und als das Schaffl leer war, hat man einen Buben mit einem Pitterle auf den Schneeberg um Nachschub geschickt. Heute gehen nur mehr die Margitenterinnin mit dem Schnaps im Pitterle. In unserer Stube gabs ein in das Getäfel eingelassenes Wåntkaschtl, in welchem neben dem Rasierzeug der Männer und kleineren Utensilien auch die Schnapsflasche für den Willkommenstrunk der Besucher untergebracht war. Meistens war es wohl Schwårz-Giprennter, den man von Bauern auf dem Lånt (Burggrafenamt) erstand.

Es gibt verschiedene Ausdrücke für schnelles, übermäßiges, ausdauerndes Trinken usw. Man kann den Alkohol oochnschittn, was sich von selbst erklärt; oochnsoaln sagt man oft, wenn jemand in einem Zug ein Glas austrinkt; dafür sagt man auch, dass ers iibern Grint aus trinkt. Schlimm ists, wenn einer sauft wië a Loch oder gar wië a Pout. Mit Loch ist natürlich eine Öffnung gemeint, in der die Flüssigkeit einfach verschwindet. Das Wort Pout ist bei uns sonst nicht gebräuchlich, aber für diesen Ausdruck wird es verwendet: es ist die Vorstellung von einem Boot, das seitlich kippt und dann unrettbar untergeht, weil es sich mit Wasser füllt.

Früher bestellte man an Topplliter, an Liter, a Hålbe, a Fiërtl, a Glaasl. Wenn man jemanden dazu einlud, dass er mit einem einen halben Liter trinken möge, hat man nicht a Hålbe gesagt, sondern: Trinksche mit miër a Halbile, weil das viel einladender ist als a Hålbe. Heute wird viel mehr Wein flaschenweise bestellt (siehe Masserai).

Eine Einladung ins Gasthaus zu gemeinsamem Trinken kann auch lauten Giëmer in Wirt an Wain ookaafn? Ein wichtiger Begriff für die traditionelle Passeirer Trinkkultur war Pschoad tiën.Tuëmer Pschoad! hieß ‘tu mir den Gefallen und trink einen Schluck aus meinem Glas’. Das war Kontaktpflege auf psairerisch. Damit wurden Freundschaften besiegelt und Streitigkeiten beendet. Dieser Brauch ist allerdings in neuerer Zeit, und zwar schon vor der Pandemie in Vergessenheit geraten.

Das Bier, vor allem ein kleines, wird oft zi Hourn getrunken, also direkt aus der Flasche. Die kleine Menge Pfiff ist heute nicht mehr üblich, und auch a Fraggile (siehe Masserai) ist nur mehr als ungenaue Mengenbeschreibug zu verstehen.

Der Rausch heißt auch im Dialekt so, aber dafür gibt es eine ganze Reihe anderer Bezeichnungen, von denen man nicht sagen kann, wo sie alle herkommen: Tambl, Tåmpf, Tuljee, Zulln, Schmiërer, Kail, Ruëß, Siëder, Stiëber, Ziëcher, Zirbl, Hiijo. Tuljee und Hiijo könnten Nachahmungen der weinseligen Lustschreie von Betrunkenen sein, Zirbl ist ursprünglich so viel wie ‘Wirbel’ oder ‘Drehung’, was durchaus zu den Bewegungen stark Betrunkener passt. Bei Schmiërer könnte man an die Wirkung eines Schlages denken. Am weitesten verbreitet scheint Tåmpf zu sein, das ja an sich einen Zustand der Erregung beinhaltet, der dann vom Siëder noch übertroffen wird. Tamml steht in manchen Dialekten für ‘Dummkopf’, ob unser Tambl mit Taumel zusammenhängt, ist fraglich. Wenn von Suff die Rede ist, kann es sich um das Saufen allgemein handeln, oder aber auch um einen einzelnen Rausch, vor allem, wenn es heißt, dass jemand in Suff etwas gesagt oder angestellt hat. Wenn man von einem durschtign Mandl spricht, dann meint man jemanden, der häufig über den Durst trinkt. So einer hat dann oft uën huckn oder er liifert uën, wobei jeder weiß, was mit dem unbestimmten Artikel uën gemeint ist. Dieses uën huckn hoobm erinnert an die Erzählungen und Sagen, in denen der Teufel oder ein beleidigter Norgge auraitit, also ‘bei einem aufsitzt’, womit dann die unsicheren Tritte und die schwankende Haltung Betrunkener erklärt würde.

Neben diesen Bezeichnungen der Volltrunkenheit, die auch in den folgenden Eigenschaftswörtern moul, ruëßig, pituusilit, tschuggo, psoffn, foll, kuëlochfoll, zuë, zullit, knill zum Ausdruck kommt, gibt es auch feinere Abstufungen der Wirkung des Alkohols, nämlich jemand kann guët augilegg oder einfach guët au, luschtig und oonggstochn sein. Pituusilit entspricht dem standardsprachlichen beduselt, das auch ‘leicht betrunken’ bedeutet. Moul, das den Zusatnd von Früchten beschreibt, die langsam in Fäulnis übergehen, beschreibt hier den Übergang von einem normalen in einen weniger gesunden Zustand eines Menschen. Dasselbe gilt für oonggstochn.

Gesoffen wurde oft am Sonntag nach der Messe. Die Leute, die es nicht rechtzeitig fürs Mittagessen aweckderlempert sain, sind dann oft gleich den ganzen Nachmittag huckn gipliibm. Eine erste Folgeerscheinung starken Alkoholgenusses ist, dass einer schwenggit und schwergglt, also ‘schwankend geht’. Auf Festplätzen waren besoffene Schlägereien früher an der Tasgesordnung, heute wird doch viel seltener zåmmggschloogn.

Wenn einer noch fi gëschter iibrig isch, bedeutet das, dass ihm der gestrige Zuspruch zum Alkohol noch deutlich anzumerken ist und dass er wahrscheinlich auch noch an Prånt håt oder prantig isch, womit der starke Durst als Folge intensiven Alkoholkonsums gemeint ist.

Als Probe der Nüchternheit musste einer Kloosn treetn, d.h. er musste die Ritzen der Bodendielen entlanggehen, ohne zu schwergglin. Dabei ließ sich feststellen, ob er noch gloosniëchter war oder doch schon leicht oonggstochn.