Dialekt und anderes

Franz Lanthaler


fiirgiën, Perg, Aagrit, Struuzer

Tierisches 3: Haltung und Nutzung der Tiere

In den höher gelegenen Höfen waren die Nutztiere oft fast zwei Drittel des Jahres im Stall. Entsprechend war der Bedarf an Futter, über das an anderer Stelle die Rede sein wird (siehe pan Hai). Jeden Morgen und Abend bekam jedes Rind einen Puschn (Büschel) Heu, das durchs Schopploch (Futterloch im Stadelboden) in die Loater (Futterkrippe) geschoben wurde. Am Ende bekamen sie noch in einem Stotz (viereckiges Holzgefäß) eine Handvoll Miëte (Kraftfutter), die meist aus Grischn (Kleie) oder geschrotetem Korn, Palln (Heublumen) und etwas Salz bestand. An manchen Tagen im Jahr gab es für das Vieh auch a waiche Miëte, also geweihtes Kraftfutter. Da es noch keine Selbsttränker gab, mussten sie nach dem Füttern und Melken zin Troug (Brunnen) getrieben werden, der immer in der Nähe des Stalles stand.

Ggigger Foto: Florian Lanthaler Ggigger

Abends vor dem Schlafengehen ging der Bauer noch einmal Ståll laichtn. Das war ein letzter Kontrollgang in den Stall, um zu sehen, ob beim Vieh alles in Ordnung war. Der Ausdruck blieb derselbe, auch nachdem bei uns in den späten 40er Jahren das elektrische Licht installiert worden war und man nicht mehr mit der Winteere (Laterne) in den Stall gehen musste.

Eine Stålldiërn konnten sich nur größere Bauern leisten. Sie musste alle Stallarbeit erledigen: füttern, melken, die Tiere striiglin und pirschtn (mit Striegel und Bürste das Fell pflegen) und ausmisten. Mischt und Sulle (Jauche) wurden durch das Schoorloch in die Mischtgruëbe befördert. Zum Füttern gehörte Hai treetn, Puschn aumåchn, ooërstëckn, miëtn und trenkn (siehe pan Hai). Beim Melken saß man auf einem Melchstuël, der auch einbeinig sein konnte.

Wenn man das Vieh dann endlich auslåssn konnte, wurden die Singaisn (gegossene Glocken) in die Kammer gehängt, wo im Winter die Schelln hingen, und diese wurden hervorgeholt. Auf gute Schelln wird auch heute noch großer Wert gelegt und im Passeier gibt es ausgezeichnete Schellnschmiide, die aus alten Sägeblättern oder anderen Eisenresten wunderbar klingende Schelln machen. Eine wichtige Unterscheidung war die zwischen Plåttschelle und Ggumpfschelle, also zwischen flacher und bauchiger Schelle, welch letztere meist besser klingt. Schlecht klingende Schellen nannte man Ggångge, Tschångge oder Tschunggl. Geschätzt wurden die Krånzschelln (Schellen mit aufgelötetem Kranz) und sehr hoch in Ehren waren die Facklschelln (Schellen mit einem Schwein als Markenstempel). Pferde und Esel trugen oft eine Rolle (runde Glocke mit Schallschlitz). Statt dem Schellriëm (Schellriemen) hatte man früher den Schellpougn (dünner Holzbogen am Hals der Tiere), der oft auch mit Schnitzereien verziert war.

Auch zu den Schelln hat Josef Ennemoser einen schönen Abschnitt in seinen Erinnerungen, wo er sagt, dass er und der Rieblbub, der mit ihm in der Kammer schlief, im Herbst sehr ungern von der Kammer über dem Stall in eine wärmere im Haus wechselten, weil sie dort “das musikalische Schellengeläute der unter uns wiederkäuenden Kühe” nicht mehr hören konnten (Ennemoser, 42) .

Manchmal war dann schon Mai, wenn man das Rindvieh in Rabenstein auslåssn konnte, wenn es also fiirgiën (auf die Weide gehen) konnte. Wenn nach einem harten Winter der Schnee nicht schmelzen wollte, konnte es mit dem Heu knapp werden und das Vieh kam dann auskhingert aus dem Stall. Mein Vater hat erzählt, dass die Kalben bei einem bestimmten Bauern im Dorf manchmal so dürr waren, dass man das Gefühl hatte, die müssten gestützt werden, wenn sie oogilåt (von der Kette gelassen) wurden. Da es damals keine Laufställe gab, hing jedes Tier bei seinem Poorn an einer Kette. Der Poorn war eine Art Koje, mit Seitenwänden, Futtertrog und Loater (Raufe). Das magere Vieh hat sich auf der Weide dann meist schnell erholt, besonders, wenn es a guët tiënite Gåttign war. Es håtse wider girichtit, wie man sagte, sodass sie bis zum Herbst wieder guët in Flaisch waren, laibig (beleibt, wohlgenährt) oder gar foast (fett). Allerdings gab es auch gelegentlich durrschlachtige Rinder, die völlig abgemagert und nicht mehr zu mästen waren. Ältere Tiere litten im Frühjahr oft an der Stållkrimpe, d.h. sie hatten durch das lange Stehen im Stall Schwierigkeiten beim Gehen. Den Ausdruck gebrauchten dann ältere Leute auch für das eigene Befinden nach einem langen Winter, der sie in die Stube verbannt hatte.

Die Goaße ließ man oft auch noch im Winter auf apere Steilhänge gehen. Sonst wurden sie in der Spånne (Einspannvorrichtung) gefüttert, wo der Hals der Tiere in einer Art Pranger stak, dass sie sich beim Fressen nicht verletzen und nicht aasn (Futter verstreuen) konnten. Beim Verhalten der Ziegen war interessant, dass sie im Sommer im nicht gemähten Teil der zwoaschiërign Maader (nur jedes zweite Jahr gemähten Mähder) und oberhalb der Waldgrenze nur die Spitzen der schönsten Kräuter und Blüten abgrasten, dass man ihnen im Winter jedoch alles in die Spånne werfen konnte, sogar das gedörrte Eertëpflkraut fraßen sie mit Putz und Stingl auf. Wenn die Ziegen im Winter länger im Freien waren, entwickelten sie oft Pooblin, das waren Wucherungen um das Maul. Auch konnten sie von der Wintersorge befallen werden, einer Krankheit um die Augen.

Im Sommer kamen auch die Kalben in Perg. Wenn wir heute von Berg reden, sprechen wir von Gipfeln und denken an Bergsteigen und Schutzhütten und Tourismus und vergessen, dass ursprünglich der Berg für die Einheimischen nur als Nutzgebiet angesehen wurde. Das war entweder hochalpine Weidewirtschaft oder Bergwerk. Der Pergpåch in Rabenstein heißt so, weil er vom Schneeberg herunter kommt, also vom Bergwerk. Und wenn man sagte s Fiich isch in Perg, meinte man, dass es auf der Alm war oder dass die Galtling, wie oben beschrieben, in den höchsten Bergweiden herumzogen. Wer nicht alle Almrechte nutzte, konnte für seine Giltign ein Entgelt kassieren; für das Vieh, das man auftrieb, musste der Aagrit (Almzins) entrichtet werden. Bauern, die über einen eigenen Perg (Almgebiet) verfügten, taten sich oft zusammen und stellten einen eigenen Këlberhirtn an, der ihre Kålblin tagsüber hütete. In der Nacht wurden sie meist in einem Koog (Pferch) gehalten. Die melchn (Milch gebenden) Kühe wurden im heimischen Stall gehalten und jeden Tag auf die Ëtze (hofnahe Weide) getrieben.

Für jede Tierart gab es eigene Lockrufe. So wurden die Ziegen mit sëssee gelockt, Kalben und Kälber mit kuisa-kuisa, die Schafe mit Pamperle lëck-lëck und die Schweine mit nåtsch-nåtsch, manchmal auch mit nårre-nårre-nåtsch, vielleicht um etwas vorzusetzen, das dem Grunzen der Schweine glich. Und wenn die Frauen morgens das Hühnerfutter in den Uësch gaben, dann lockten sie mit pulla-pulla-pulla. Meine Schwestern lockten die Antn (Enten) immer mit watti-watti. Aber ich weiß nicht, ob sie das nur irgendwo her hatten.

Wiider Foto: Florian Lanthaler Wiider

Für die Schlachtung der Haustiere gab es zwei Ausdrücke: ooschloogn und oostechn. Unter dem Ersteren verstand man die Betäubung des Tieres durch einen schweren Schlag auf die Stirn mit einer Håcke. Manchmal hatte man auch eine Schlooghåcke: das war eine Hacke mit einem Zapfen über dem Kopf. Danach wurde durch einen Stich in die Halsschlagader der Tod durch Ausbluten herbeigeführt; deshalb oostechn.

Fåckn oostächn

Kurz vor Weihnachten wurde ggschlachtigit (geschlachtet), sodass man für das Paurnpraatl zu Nuijoor und Kiinigntoog bereits s Ggsuurte (das Eingepökelte) verwenden konnte. Der Tag vom Fåckn-Oostächn war ein besonderer Tag. In der Stube wurden die Vorhänge zugezogen, damit die Kinder nicht sehen konnten, was im Zwischenraum zwischen Haus und Stall passierte.

Zunächst wurden die Tiere mit der stumpfen Seite einer Hacke, gelegentlich auch mit einem Schlägel, bewusstlos geschlagen, dann hat man ihnen das Blut gelassen und die Frauen mussten Pluët riërn, dass es nicht zu schnell gerann.

Dann hat man einen Grånt (Bretterkiste) hingestellt, eine Kette quer hineingelegt und dann das Schwein daraufgeworfen. Mein Bruder Heinrich hat das alles so beschrieben:

Zeartn håsche mit ar Håcke, ofteramåll aa mit an Schlëigl, in Fåcke taamisch ggschloogn, når håt min Pluët gilåt unt di Waiberlait hoobm gimiët Pluët riërn, dassis nit zi reasch ggstockt isch.

Dernooch hoobmer in Grånt girichtit, a Këttn inhngilëgg und når in Fåcke inhnggschmissn. Dernooch håtmin a hërts, kluëg dernuits Pech drauggsaant und når a siëdigs Wåsser draugilaart. Når hoobm zwoa Lait pa der Këttn hin und hee gizouchn, når in Fåcke umgidraant, asser af peade Saitn khaart giwortn isch. Und oubmau håt min et ausgirissn, woos mitn Pech asou heegångin isch.

Når håt min afn Grånt a proats Prätt auchngitoon und in Fåcke draugilëgg und mit an schërfn Mësser s Hoor awäckggschoop, dës ameart nit awäckgångin isch. Ober s Mësser håt gimiët gånz schërf sain, sischt håsche nicht girichtit.

Dernooch håt min pa di hintern Haaxn di Flaxn frai gimåcht und an Steckn durchggstëckt, giweendlich an Aisnsteckn, und s Soalile, dës topplt fin an Traam ooerkhångin isch, ummergitoon unt mit an Holz auchngitriibm, pis der Fåcke frai khångin isch und når mit an åndern Steckn ooggspërrt.

Pan Auswoadnin håt min zeartn di Wåmpe außergitoon, når di Gålle und dernooch isch Lungl und Leber und s Herz außergitoon giwortn. Mit ar Kåndl foll kåltn Wåsser ischer ausggspiëlt giwortn und når håt minin kuëln gilåt pis znåchts und zemm ischer når assnånderkhåckt und ausgipuëndert giwortn.

Di Puënder sain ggsuurt und nåcher ggselcht giwortn und di Saitn hoobmer in Kelder untn a di Stëiln auchngilëgg und inggsålzn. Es håt nit gitërft zi wårbm sain, åber aa nit zi kålt, sischt waar s Sålz nit dergångin. Håt min ålle Tooge gimiët mit an Lëffl s Sålz assnånderschëpfn oder mit di Hente ferstraichn. Asou an åcht Tooge sainse zemm liign gipliibm, pis s Sålz ingitrucknt giweesn isch. S Giwirz isch schun in Sålz drin giweesn. Kraanewittpëir sain aa derpai giweesn. Und in Oufn håtmin pan Oonschiirn oft nou Kraanewitttaasn inhnggschmissn, wenn di Saitn in der Aasn oubm khångin sain. Zemm sainse a drai Moonit khångin. Di Nåcht isch oft nou a Kuchlfenschter augitoon giwortn, dassis durchgizouchn håt.

Heinrich Lanthaler

Ein typischer Passeirer Ausdruck für Amateurmetzger ist Struuzer. Woher die Bezeichnung kommt, hat mir mein Vater erklärt, der nach dem 1. Weltkrieg gelegentlich Schlachtvieh für die vielen Arbeiter auf den Schneeberg brachte. Er erzählte, dass es eine richtige Struuzerai (mühsames Schleppen) war, die Kälber oder Kalben lebend auf den Schneeberg zu bringen, wo man sie dann schlachtete und an die Küche ablieferte. Für gelegentliche Tätigkeit als Metzger gab es auch den Ausdruck aushåckn. Gemeint war damit das Schlachten und Zerteilen der Tiere und der kleinweise Verkauf des Fleisches derselben. Das traf zwar auch auf die Struuzer zu, wurde aber vor allem dann praktiziert, wenn Tiere auf der Weide oder auf der Alm abgestürzt waren. Mein Vater als ehemaliger Struuzer wurde dann oft geholt das Tier sachgemäß zu schlachten, wenn es stark verletzt aber noch nicht tot war, und es zu verteilen. Man hat dann mittlere Pakete mit verschiedenen Arten Fleisch zusammengestellt, damit jeder, der etwas kaufte, nicht etwa nur Knochen bekam, sondern von allem etwas. Und dass jeder etwas kaufte, war ein ungeschriebenes Gesetz, denn damals gab es keine Versicherung, und auf diese Weise bekam, wer ein Tier so verlor, zumindest den Wert des Fleisches erstattet. So wurde das Fehlen einer Versicherung durch die Solidarität der Gemeinschaft etwas ausgeglichen und die Leute bekamen im Sommer einmal a griëns (frisches) Fleisch, zu einer Zeit also, wo es sonst kein solches gab, da auf dem Hof ja erst im Spätherbst und um Weihnachten geschlachtet wurde. Aber griënilin (sich grünlich verfärben) durfte das Fleisch nicht: das geschah, wenn ein abgestürztes Tier zu spät entdeckt wurde und zu lange irgendwo gelegen war, sodass es ungenießbar wurde.

Dass man früher, wenn nicht alles, so doch sehr viel vom geschlachteten Tier verwendet hat, bezeugt der Ausdruck Soatling für den Darm der Schafe, denn daraus wurden eben die Saiten für die Streich- und Zupfinstrumente gemacht, und zwar durch die Jahrtausende.


zu Ennemoser:

de Rachewiltz, Siegfried (Hg.) (2010): Josef Ennemoser. Leben und Werk des Freiheitskämpfers, Mediziners und Magnetiseurs (1787 – 1854). Innsbruck: Haymonverlag.

"Tierisches"

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