Dialekt und anderes
Franz Lanthaler
s Essite (2. Teil)
Fin Forbmis pis zin Nåchpmål
Die Mahlzeiten
Mindestens dreimal am Tag, also zu den Hauptmahlzeiten, saßen wir alle rund um den Tisch, der unter dem Heargottswinkl (Ecke mit dem Kreuz) stand; wenn alle da waren, auch zu den Zwischenmahlzeiten. Die Männer saßen hinter dem Tisch, von den Frauen saß eine auf der schmalen Seite des Tisches auf einem Stuhl, die anderen auf der Breitseite auf der Fourpånk, einer einfachen Bank, die unter die Ofenbank geschoben wurde, wenn sie nicht in Gebrauch war. Manchmal war nicht genug Platz für alle, weil zu besonderen Gelegenheiten, wie beim Haiziëchn oder Pauin (Pflügen), oder wenn der Goaßer und der Këlberhirte bei uns in der Koscht waren, mehr Leute da waren als sonst. Dann mussten die Jüngsten, das war bei uns ich, am Kåtzntisch sitzen. Das war nichts anderes als die Sitzbank, die rund um die Stube ging. Ich saß dann auf einem Fuëßstiëlile (Fußschemel) und aß aus einer kleinen Schüssel, die auf der Bank stand, in die die Mutter mir das Essen schöpfte.
Dass vor und nach jedem Essen ein Faatrunser gebetet wurde und nach dem Abendessen der Rosenkranz und dann noch ein Faatrunser fir an niëdn Kraxntrooger, wie jemand von meinen Geschwistern es formulierte, braucht man denen, die damals auf Bergbauernhöfen gelebt haben, nicht extra zu erzählen.
Der Forbmis
Die erste Mahlzeit des Tages war natürlich der Forbmis (Frühstück).
Das Wort ist eine Zusammensetzung aus ‘vor’ und ‘maʒ
’ und bezeichnet
eine Mahlzeit, die vor der Arbeit eingenommen wird. Die Stallarbeit
wurde allerdings immer vor dem Forbmis verrichtet und zur Zeit der
Heuernte hat man oft schon zwei Stunden gemäht, bevor man sich zu
Prennsupp'unt Muës setzte. Denn daraus bestand das Frühstück. Für die
Prennsuppe wurde Mehl in etwas Schmålz angeröstet, bis es schön
braun war, das war das Ingiprenne. Dann wurde aufgegossen und
schließlich kamen Pfurflin (kleine Teigknöllchen) als Einlage dazu.
Das Mus wurde in einer großen blechernen Pfanne, Muëspfånne, gekocht,
die man auch für den Riibl verwendete. In die kochende Milch wurde das
Muësmeel, von dem bereits die Rede war, mit der Saankëlle
(Lochkelle) eingestreut. Am Ende wurde das Muës ggschmëlzt und dann
in die Kuële, also zum Auskühlen vor die Küchentür gestellt, die ins
Freie ging.
Die Prennsuppe wurde in einer großen Schüssel mitten auf den Tisch gestellt und alle aßen daraus. Dasselbe geschah mit der Muëspfånne, die ebenfalls auf einem Pfånnholz mitten auf dem Tisch stand. Jeder löffelte sich seine eigene Nische aus der Pfanne, und das Beste waren die Scherrn (Pfannenkrusten).
Wåssermuës, bei dem statt der Milch Wasser genommen wurde, aßen wir nur, wenn die Milch ausgegangen oder nach einem Gewitter sauer geworden war, und mein Vater ließ sich manchmal eines kochen, wenn er mit dem Magen zu leiden hatte. Um es halbwegs genießbar zu machen, wurden kleine Speckstücke eingestreut. Trotzdem wurde es nicht geschätzt, weshalb es für ëppis Minders auch den Spruch gab: dës isch ëppis wië hintern Sea s Wåssermuës. Vielleicht hat man früher in Notzeiten in Rabenstein öfter Wåssermuës essen müssen. In Notzeiten hat man oft a Pråntmiësl gekocht. Dafür hat man mit etwas Fett an Ingiprenne gemacht, das man allerdings nicht braun werden ließ, und hat dann mit Wasser aufgegossen. So hat man noch ein bisschen Geschmack hineingebracht. Das Kindermiësl hat man nicht mit dem normalen Muësmeel gekocht, sondern hat dafür ein eigenes, feiner gemahlenes genommen. Der Liënrter Åpitegger Sepp Hofer hat viele Jahre dazu ein besonderes Mehl bereit gehalten, wahrscheinlich von einem Bauern, der in der Mühle sehr sauber gearbeitet hat.
Dass man in neuerer Zeit bei uns statt forbmissn auch Kaffee essn sagen kann – weil heute ja ein Kaffeefrühstück das Übliche ist –, hab ich erst bei den Aufnahmen zum “Sprechenden Dialektatlas” erfahren.
Der Hålbmittoog
Die Zwischenmahlzeit am Vormittag, der Hålbmittoog, bestand im Sommer fast immer aus Milch und Proat. Wenn man a der Waite (im Freien) arbeitete, aß man die Milch aus der Kåndl. Jeder hatte seinen eigenen Löffel, dessen Stiel so zurechtgebogen war, dass man die Milch auch tief aus der Kanne schöpfen konnte. Dazu wurde das harte Brot gegessen. Mit dem Löffel schlug man ein halbes Paarl in Prockn und aß dann die Stücke. Im Winter aßen wir zum Hålbmittoog auch oft gireaschtit’Ertëpfl, wenn von der Marende des Vortages noch gitempfte oder ggsoutnin’Eertëpfl (Pellkartoffeln) übrig waren. Auf Fëss, wo wir nicht nur Maader hatten, sondern auch melche Felder (gedüngte Wiesen) und wo wir fast einen Monat verbrachten, bestand diese Zwischenmahlzeit bei Regenwetter aus gewärmter ggsålzner Milch, in die mit der Gråmbl zerkleinertes Brot ingiprockt wurde. Da die Frauen kochen und die Milch versorgen mussten, gingen die Männer früher in die Maader, und eine meiner Schwestern trug dann Milch und Brot für Hålbmittoog und Merende nach. Die Milchkåndl wurde dann irgendwo in den Schatten gestellt oder mit Gras bedeckt. Wenn es jedoch geschah, dass sie eine Weile in der Sonne stand, sagten wir di Milch sunnilit, was so viel bedeutete, dass sie in der Aluminiumkanne durch die Sonne fast ungenießbar geworden war.
Das Pausenbrot für uns Schulkinder, das wir einfach di Pause nannten, war wirklich nur ein Stück hërts Proat.
Der Mittoog
Die Hauptmahlzeit des Tages war natürlich der Mittoog. Dreimal die Woche, Sunntig, Ërchtig und Pfinstig, gab es zu Mittag Knëidl. Die Knödel wurden nach dem im ganzen Land üblichen Rezept zubereitet: altbackenes Weißbrot und Speck wurden in Würfel geschnitten, dann wurden Milch und Eier drüber geschüttet und alles mit etwas woazin Meel vermischt. Im Sommer kam natürlich auch Kraitl (Petersil) dazu. Plentine Knëidl, bei denen statt Weizenmehl Buchweizen genommen wurde, gab es nicht oft. Fastenknödel, in die statt Speck angedünstete Zwiebeln kamen, hatten wir ganz selten. Im Spätsommer, wenn der Speck zu Ende zu gehen drohte, wurde an seiner Stelle auch ggselchts Flaisch genommen. Wir aßen die Knödel aus der großen Schüssel, wo sie in der Suppe schwammen. Jeder hatte seinen Löffel, der nach dem Essen am Tischtig abgewischt und in die Tischtruuche gelegt wurde. Wenn die Suppe mit geselchtem Fleisch gekocht wurde, musste die rußige Schicht, die sich an der Oberfläche bildete, noch während des Kochvorgangs abgeschöpft werden. Saure Suppe, die mit Ingiprenne wie bei der Prennsuppe, vorgekochten Kutteln und etwas Weinessig zubereitet wurde, mochten bei uns alle gern, aber es gab sie nur in der kurzen Zeit, wo geschlachtet wurde.
Statt der Knëidl konnten es auch woazine oder plentine Nockn sein. Dafür wurde ein fester Teig mit Mehl, Wasser, Eiern und Speckwürfeln gerührt und die mit dem Löffel geformten länglichen Gebilde von der Größe von einem Esslöffel im Wasser oder in der Suppe gekocht. Die Vielfalt an Knëidl, die es heute im Gasthaus gibt, mit Roon(in), Spinaat, aber auch Kaasknëidl, kannten wir nicht. Den Sommer über schwamm in dieser Art Suppen immer auch der Schnittl.
Gireascht (Geröstl) wurde natürlich nur in der Zeit gekocht, wo es griëns Flaisch gab. Verwendet wurde wie üblich gekochtes Fleisch, aber auch Reste von einem Praatl konnten zugegeben werden. Ggollasch wurde selten gegessen. Es war im Vergleich zu dem, was wir heute gewohnt sind, eine eher lautere Angelegenheit, und ich glaube nicht, dass man immer Edelsüßpaprika zur Verfügung hatte. Aber für uns war es gut. Anfang der Fünfziger hat unsere Mutter dann Ggollasch in Weckgläser gegeben und so konnten wir es auch zu Zeiten essen, wo nicht geschlachtet wurde. Praatl hatten wir nur an bestimmten Feiertagen, vor allem Neujahr und Kiinigntoog; aber dazu noch später.
Den ganzen Sommer über, solange unser Garten genug Soolit produzierte, gab es als Erstes immer eine große Schüssel voll davon. Er wurde mit zerlassener Butter, Weinessig und Salz angerichtet, manchmal auch mit zerlassenem Speck. Einen anderen Salat als den grünen kannten wir nicht.
Vor den festen Speisen gab es meistens eine Suppe, oft eine ganz einfache Suppe mit etwas Teigeinlagen, im Sommer oft Gemüsesuppe mit allem, was der Garten dazu bot, in der seit den 50er Jahren auch Reis mitgekocht wurde. Im Winter wurde auch Gerstsuppe gekocht, allerdings nicht immer wie heute üblich mit gutem Ggselchtn, sondern häufig mit in Streifen geschnittenen und lange vorgekochten Speckschwårtn, weshalb ich sie nicht gern mochte. Die beste Suppe für uns war die Sëilsuppe, die zwar von den Bohnen den Namen hat, deren Charakter aber von den getrockneten Këschtn bestimmt war, die auch drin waren. Die kam allerdings nur ganz selten auf den Tisch.
Ein oder zweimal die Woche an Nicht-Knödeltagen war Riibl angesagt, den es auf drei Arten gab, je nach dem Mehl, das dazu verwendet wurde, woazer, plenter oder rogger Riibl (heutzutage, und vor allem im Außerpasseier eher woaziner, plentiner, rogginer Riibl). Es ist uns gelungen, das Wort in das “Variantenwörterbuch des Deutschen” zu bringen, weshalb es jetzt auch ein hochdeutsches Wort in Form von ‘Riebl, Riebel’ oder ‘Riebler’ gibt. Dass Riibl von raibm kommt, versteht man, wenn man weiß, dass die Art Omelett, die nach dem ersten Anbraten des Teiges für dieses Gericht entsteht, so lange zerstochen und zerrieben wird, bis er sich in sehr feine Brösel verwandelt hat. Der woazine wurde allerdings weniger fein zerkleinert. Je mehr Fett im Riibl war, desto besser der Ruf der Bäuerin. Man erzählte sich, dass in Schenna bei einem Bauern die Knechte den Heargott im Winkel mit einem Schurz zugedeckt hatten, und auf die Frage, was das zu bedeuten habe, sollen sie geantwortet haben, es sei eine Vorsichtsmaßnahme, dass der Gekreuzigte nicht verstaubte, weil eben der Riibl so trocken war.
Am Freitag wurde oft gebacken und es gab Kiëchl, Straubm, Kråpfn und gelegentlich auch an Turtn. Die drei Arten Kiëchl waren Ëpflkiëchl, Proatkiëchl und Gerbmkiëchl. Dass es die Ersten, bei denen Apfelscheiben in einen lautern (flüssigen) Teig getunkt und in Putterschmålz außergipåchn wurden, nicht oft gab, ist klar, da wir ja kaum Ëpfl hatten. Für die Proatkiëchl wurden dünne Weißbrotschnitten mit der bereits genannten Zueggmarmelade bestrichen und dann ebenso gebacken wie die Ëpflkiëchl. Und für die Gerbmkiëchl schließlich wurden aus Germteig kleine Kugeln geformt, die zu handflächengroßen Scheiben ausgezogen und dann herausgebacken wurden, so wie es bei den allseits bekannten Kniëkiëchl der Fall ist. Für die Straubm wurde ein dünnflüssiger Teig aus einem Tråchter spiralenförmig in das heiße Fett gegossen. Wir aßen sie ohne Zucker und Marmelade.
Das Beste waren für uns die Kråpfn. Der typische Psairer Kråpfn ist mit an roggin Toag und Këschtnfille gemacht. Für die Fülle wurden die gedörrten Kastanien, von denen schon die Rede war, in Wasser gekocht, passiert und dann mit etwas Honig – wenn man welchen hatte – oder Zucker und Zimt verfeinert und mit Milch auf die richtige Konsistenz gebracht. Gelobt wurde die Köchin, wenn die Krapfen moor (mürbe) waren. Die gute Qualität erhielten sie natürlich mit demselben Mittel wie der Riibl, mit Schmålz. Wenn am Ende die Fille ausging, wurden auch noch Plattler oder plinte Kråpfn gebacken, also solche ohne Füllung.
Der Turtn war nicht das, was man heute unter Torte versteht, nämlich ein mehrfach belegtes und verziertes Gebäck, sondern er war noch näher der ursprünglichen Bedeutung des Wortes, die ‘rundes Brot’ bedeutete. Die Masse bestand aus Rührteig, der dann im Rearl (Rohr) gebacken wurde. Unsere Nachbarin, die noch am offenen Herd kochte, buk den Turtn dann eben in dem von der Küche aus beheizten Stubenofen.
Nicht zu vergessen: die Eertëpflnuudlin. Aus gekochten Kartoffeln und etwas Mehl und Ei wurde eine Masse geknetet, etwa so wie für die Gnocchi. Daraus wurden fingerdicke, spannenlange Nudeln geformt, in Fett gebacken, dann in ein Raindl gegeben, mit Rahm übergossen und mit etwas Zucker bestreut noch einmal im Rearl überbacken; eine Spezialität, die heute kaum noch jemand kennt.
An Wuchtlin (Buchteln) kann ich mich bei uns nicht erinnern, aber ich weiß, dass es mancherorts solche gab, natürlich mit gekaufter Marmelade, denn die Sulze mit unseren Beeren wäre dafür allemal zu flüssig gewesen.
Plentn steht für zwei ganz verschiedene Dinge: einmal ist es, wie bereits bei Knëidl und Riibl erwähnt, ‘Buchweizen’ – und natürlich das entsprechende Mehl – und zum andern ist es ‘Polenta’, also Maisbrei. Auch wenn dieses Gericht zur Zeit des Faschismus noch als Mussiliineturtn verschrien war, aßen wir es nicht ungern. Der Plentn wurde immer in einem Topf auf den Tisch gebracht, aber unsere Mutter garnierte ihn auf zwei verschiedene Arten: entweder wurde er mit Glaansulze zugedeckt und dann ggschmëlzt (mit heißer Butter übergossen), oder die noch heiße Polenta wurde schichtenweise aufgebaut: auf eine Lage Plentn wurden frische Eier geschlagen, dann wieder eine Lage Plentn usw. Die oberste Schicht Plentn wurde dann wieder ggschmëlzt.
Als später dann auch Reis zum Speiseplan dazukam, gab es dafür zwei Rezepte: Flaischrais und Milchrais. Der Erste wurde mit kleinen Fleischstücken und etwas Paredais (Tomatenmark) gekocht. Der Milchrais wurde so gekocht, wie es auch heute noch üblich ist, eben mit Milch und etwas Zucker und Ziimit. Den gabs jedoch eher nur am Abend, vor allem jedoch als Kinderspeise.
Raammuës, das mit Rahm statt mit Milch gekocht wurde, aßen wir nur zwei oder dreimal im Jahr. Es wurde mit Griës gekocht und nicht ggschmëlzt, weil schon der geschmolzene Rahm eine Fettschicht bildete. Oben kam noch Këschtnfille drauf, dieselbe, die auch für die Krapfen verwendet wurde.
Ein Wort noch zum Mittoogtroogn. Man verbrachte nicht nur im Sommer viel Zeit a der Waite (im Freien), sondern das ganze Jahr über gab es, vor allem für die Männer, fern vom Haus viel zu tun. Und weil niemand auf ein ordentliches Mittagessen verzichten wollte, musste der Mittoog eben nachgetragen werden. Bei manchen Bauern gab es im Sommer einen eigenen Mittoogtrooger, meistens jedoch besorgten das die Kinder.
Wir hatten wie auch die anderen Bauern in Saltnuss auf Fëss, auf halbem Weg zum Schneeberg, wie gesagt, Maader und melche Felder (Wiesen), weshalb wir dort fast einen Monat bei der Heuernte verbrachten. Bei uns kam noch dazu, dass unsere Mutter als Hebamme immer abrufbar sein musste und daher auch dann, wenn wir alle auf Fëss waren, in Saltnuss blieb. Mich als Jüngsten traf es dann jahrelang abends die Milch von Fëss herunterzutragen und am nächsten Tag das Mittagessen, das die Mutter kochte, für alle hinaufzutragen. Der weiteste Weg, den ich dabei hatte, war der zuoberst in den Prånt, neben dem Norggn, der ungefähr auf der Höhe vom Schneeberg liegt. Ich hatte dann oft in jeder Hand eine Mittoogkåndl mit dem Essen für acht bis zehn Leute, weil ja die Hirten aus den Rossgruëbm manchmal auch noch dazukamen. Unten in der Kåndl war die Suppe, oben, im Ausatzl, war Soolit oder Riibl oder Gipåchns. Wer heute einen Acht- bis Zehnjährigen so auf einen Weg von 800 Höhenmetern schicken würde, könnte es mit der Polizei zu tun bekommen. So oder ähnlich erging es jedoch vielen Kindern, die als Mittoogtrooger eingesetzt wurden, denn nicht nur in die Maader, sondern auch in weiter weg liegende Wiesen musste das Essen getragen werden. Die jugendlichen Mittoogtrooger waren natürlich pårfuëßit unterwegs, wie alle Kinder vom Mai bis in den Oktober.
Manchmal musste auch den Hirten das Essen nachgetragen werden, die Goaßer und die Këlberhirtn (Galtviehhirten) jedoch bekamen es meist mit. Dafür gab es eine eigene Riiblschåchtl, eine Blechdose mit ovalem Grundriss und aufklappbarem Deckel. Auf Hütt erzählte man sich, dass der Hofname Riebl daher rühre, dass ein Bub, den man dort oonginåmmin (adoptiert) hatte, wenn er beim Hüten gefragt wurde, was er denn zum Essen mithabe, immer geantwortet habe a Riibile. Als er dann Bauer wurde, sei der Name auf den Hof übergegangen. (Aus der Haus- und Hofgeschichte von Werner Graf, 2020, geht das allerdings nicht hervor.)
Zum Thema Riibl jedoch erzählt Sepp Haller eine sehr schöne Geschichte (Dol. 30./31. Mai 1985, S. 17). Der Knecht vom Pfandlerhof in Fartleis, der den Waal im Tal wie jedes Frühjahr in mühevoller Arbeit wieder instand setzen musste, erklärt einem Vorbeikommenden, dass er den Langis pa deer Årbit schun in zwoaidraißggn Riibl gegessen habe. Er zählt also die Toogschichtn nach den Rationen Riibl, die er zum Essen mitbekommen hat.
Di Merende
Die Zwischenmahlzeit am Nachmittag heißt bei uns so wie mehr oder
weniger im ganzen Land Merende, anderswo eben dann Marende oder
Marenn. Das Wort ist romanischen Ursprungs und ist im Ladinischen noch
als marëna
(Mittagessen) und pitla marëna
(kleines Essen, also
Zwischenmahlzeit) vorhanden, und die italienischen Kinder haben die
merendina
(Pausenbrot) in der Schultasche. Es kommt vom lateinischen
merere
(verdienen) und die Form merenda
bedeutet ’etwas, was man sich
verdienen kann oder muss’. Seit die Tourismusgastronomie die
Attraktivität der bäuerlichen Esskultur entdeckt hat, ist die “Bauern-”
oder “Speckmarende” auch auf vielen Speisekarten zu finden und die Form
“Marende” ist so zu einem Standardwort geworden.
Im Sommer bestand diese Zwischenmahlzeit wie der Hålbmittoog aus Milch und Brot, und zwar, wie bereits erwähnt, war es Goaßmilch. In dieser Zeit stand auch oft ein Schmålzknolln auf dem Tisch und wir stachen mit dem Löffel jeweils kleine Stücke ab und aßen sie zum Brot. Nur bei sehr schwerer Arbeit, also wenn sehr viel Heu eingetragen werden musste oder wenn Nachbarschaftshilfe in Anspruch genommen wurde, wie beim Kournschnaidn oder beim Pauin (Pflügen) hatten wir eine Speckmarende, dann auch meist mit Wein. An sehr heißen Tagen stand vor dem Stadel eine Kanne Tee mit Wein drin, und jeder trank mit einer Kelle daraus, nachdem er sein Traagl (Heubündel) abgelegt hatte.
Im Winter bestand die Merende aus gitempft’Eertëpfl (Pellkartoffeln) mit Milch und Butter, wenn genug da war. Oft wurde mit den Erdäpflen auch ein Paarl hartes Brot mitgedünstet; dieses gitempfte Proat galt besonders bei Kindern als Leckerbissen.
Zur Waldarbeit konnte man im Winter natürlich nicht Milch mitnehmen, sondern man tat Brot und Speck oder ggselchts Flaisch in den Rucksack.
Der Nåchtmål, Nåchpmål
Die letzte Mahlzeit des Tages war im Sommer dasselbe Muës wie am Morgen, mit Goaßmilch und oft auch mit etwas ooërgitriibmer Milch. Selbstverständlich wurde, was vom Forbmis übrig blieb, aufgewärmt, und das gab es dann oft am Abend für die Kinder. Milchsuppe wurde oft am Samstagabend gekocht; es war einfach gesalzene Milch mit Pfurflin drin. Im Winter wurden, da die zusätzliche Ziegenmilch fehlte, auch andere Speisen gekocht: Plentn, auf eine der beiden oben beschriebenen Arten, gireaschtit’Eertëpfl, Piree, das die Kinder dann auch Paree nannten, Suppen mit Einlage, wobei es sich dann auch um a Maagesippl (mit Maggi gekochte Suppe) handeln konnte. Von der Wåsserschnålle, einer sehr dünnen Suppe ohne Fettaugen und Einlagen hat man manchmal gesprochen, bei uns gabs die zum Glück nie.
In den Genuss von Puuding als Abendessen, glaube ich, kamen erst meine Schwester Luise und ich, als die Jüngsten, und zwar kurz nach dem Krieg. Die Mutter rührte dazu Kakaopulver, Mehl und etwas Zucker in die heiße Milch und stellte uns den ganzan Hoofn auf den Tisch, nachdem die Masse ausgikuëlt war.
Die größte Strafe, die Kinder treffen konnte, war, dass sie umgessner in Pëtt giën (ohne Abendessen zu Bett gehen) mussten.Mir ist das nicht mehr passiert, aber meine älteren Geschwister haben noch davon erzählt.
Giwërbmts
Alles, was nicht gleich aufgegessen wurde, kam giwërbmter wieder auf den Tisch, denn Essen wurde nie weggeworfen. Nur, was wirklich nicht mehr gegessen werden konnte, weil man ja keine Kühlmöglichkeit hatte, oder weil so wenig übrig war, dass es nicht mehr derniëwert war, wurde in die Ggspuëlkåndl geschüttet, in welche auch das Wasser geschüttet wurde, mit dem man die Schüsseln und Pfannen vor dem Oospiëln ausggschwenzt hat. So wurde alles verwertet, was noch irgend einen Nährwert darstellte.
Psunder’Essn
Für besondere Festessen hätten nicht die Gelegenheiten gefehlt, denn es wurden ja alle Feste im Jahr gefeiert, und natürlich gab es auch Taufen und Hochzeiten. Aber im Dorf selbst gab es außer dem Notwendigsten nichts zu kaufen, und für größere Einkäufe hätte auch das Geld gefehlt. Außerdem war das, was man selber hatte, stark saisongebunden.
Da jedoch kurz vor Weihnachten geschlachtet wurde, hatte man für die Feiertage frisches Fleisch. Wie bereits erwähnt, gab es zu Nuijoor und am Kiinigntoog (Dreikönig) immer Praatl, in der Art, wie es heutzutage als “Bauernbratl” in Kochbüchern oder im Internet beschrieben ist. Allerdings nicht nach all den verschiedenen Rezepten, die hier angeboten werden, sondern auf eine sehr einfache Art, mit mittelgroßen Fleischstücken, die zunächst angebraten und dann mit Brühe aufgegossen wurden, danach kamen das Wurzelgemüse und Gewürze dazu und das Ganze wurde so geschmort. Für die letzte gute halbe Stunde kamen die Erdäpfelstücke hinein. Das Fleisch konnte aus ganz verschiedenen Stücken bestehen und vielfach waren auch die Knochen dabei. Es machte auch keinen großen Unterschied, ob es sich um Schwainis (Schweinefleisch) oder Schepsis (Schöpsernes) handelte. Das Pockine (Bockfleisch) kam erst später in Mode, wohl von Pfelders ausgehend, wo man am Hoachnserfrauintoog den Kirchtig mit diesem Gericht feierte. Diese Tradition hat dann auch auf das ganze Hinterpasseier übergegriffen, sodass die Psairer Bauern heute kaum genug Böcke ziiglin können, den Bedarf Mitte August abzudecken.
Da wir außer Soolit alles mit dem Löffel aßen, also auch das Praatl, musste der Vater mit dem Stechmësser die Fleischbrocken in der Pfanne, in der alles auf den Tisch kam, für alle in mundgerechte Stücke zerteilen.
In Foosnåchtërchtig wurde gewöhnlich der Speck angeschnitten. Zu Hålbmittoog wurde er verkostet und zi Mittoog wurde er mit Kraut – um diese Zeit war er noch ziemlich weich – gegessen wie beim Haiziëchn.
Auch wenn es kein Festessen war, gab es für mich als Kind kein besseres Mahl als das, was beim Haiziëchn (siehe pan Hai) aufgetragen wurde. Da man nämlich die Riise (Ziehspur) im tiefen Schnee nicht mehrmals oder vergebens machen wollte, versuchte man so viel Heu wie möglich auf einmal fi di Gaadnder in di Maader (von den Heuschuppen in den Bergwiesen) auf den Hof herunterzubringen, weshalb man sich unter Nachbarn gegenseitig half. Und weil man schon zu nachtschlafender Zeit aufbrach und die Fahrt zweimal machte, war dazwischen ein ordentliches Essen angesagt. Als Erstes kam eine Pfanne mit Kraut auf Psairer Art, was man heute auch Muëskraut nennt, mit Ingiprenne, also “einer hellen Einbrenne”. Darauf lagen einzelne Speckscheiben und halbierte Knödel. Dann kam eine große Schüssel voll Sëilsuppe, von der bereits die Rede war. Danach kamen die Kråpfn mit Këschtnfille. Früher gab es oft die Unart, dass die Mander beschlossen die Bäuerin zu blamieren, indem sie versuchten auz’essn (alles aufzuessen). Meine Mutter erzählte, dass noch bei ihr daheim auf dem Josimenhof auf Hütt meine Naandl aufgeregt in die Küche kam und sagte deedn wëlln ins auessn, und miër hoobm lai mear an åchte, zëichn Kråpfn! Darauf hat meine Mutter a Stëckl Schmålz (ein kleines Stück Butter) zerlassen, etwas Zucker hineingegeben und es über die noch vorhandenen Krapfen geschüttet. Nach je einem solchen Krapfen hatten die wackeren Haiziëcher dann genug und die Ehre der Hausfrau war gerettet.
Kleinere Familienfeiern wurden nur gelegentlich zu Hause begangen; meist bestellte man das Mahl beim Wirt, da etwa bei Taufen ja auch die Tëitn und Toutn und der Pfarrer eingeladen waren. Das war kein großes Gelage, aber doch ein Essen mit mindestens drei Gängen, bestehend aus Suppe, Schnitzel oder Braten und Turtn, und natürlich mit Wein. Bei Hochzeiten war es dann nicht sehr viel anders, außer dass die gesamte nähere Verwandtschaft eingeladen war und dass vor allem viel mehr getrunken wurde. Und der Turtn war dann schon wirklich eine ‘Torte’.
S Maalile (Totenmahl) war dann wieder sehr einfach: Es gab für die Verwandtschaft, für die Sargträger und für alle, die von weiter weg kamen, Nudelsuppe mit Fleischstückchen oder Wurstscheiben drin oder einfach Supp’und Wurscht, und dazu Brot und Wein, für die Kinder Saft. Das Wort Piitschn, das in Meran und der weiteren Umgebung für das Totenmahl üblich ist und ursprünglich von einer Brotform kommt, kannten wir nicht.
Ein Mittagessen, das eigentlich kein besonderes hätte sein sollen, wird mir immer in Erinnerung bleiben. Es ist das vom 21. Jänner 1951, als auf Föss die Laane niederging, unter der die drei ältesten Kinder der dort lebenden Familie starben und aus der auch mein Bruder Heinrich erst nach sieben Stunden gerettet wurde. Mutter hatte eine Art spiralförmige Nudeln gekocht, die man heute wohl Fusilli nennt. Dann hatte sie kleine Fleischstückchen und etwas Rahm zugegeben und das Ganze in einem Raindl im Rearl überbacken. Aber als der Vater und die Brüder vom Kirchn kamen, hatte niemand Zeit zum Essen, denn sie hatten noch im Dorf die Schüsse und die Hilferufe vom Richard auf Föss gehört, schnallten die Schi mit den Fellen oder die Schnearoafn an und verschwanden sehr schnell wieder. Auch von uns hatte niemand mehr Appetit.
Eine andere Mahlzeit ist mir ebenfalls im Gedächtnis geblieben. Sie hat mit dem zu tun, was im ersten Teil über Hühnerfleisch gesagt wurde. Da ich ein schwächliches Kind war, hat meine Mutter mich ins Spitool gebracht zu einer Untersuchung. Danach gingen wir zum Bahnhof, um auf das Postauto zu warten. Auf einer Bank neben dem Hoferdenkmal packte die Mutter das mitgebrachte Essen aus: Es war ein Hähnchen, das sie mit Ei, Bröseln und den essbaren Innereien gefüllt und gebacken hatte, denn ihr bedeutete das alte Vorurteil gegenüber dem Hühnerfleisch nichts. Für mich war das ein Festessen.
Über Ggschmåchn und ggschmachl
Aus dem Bisherigen ist klar geworden, dass unser Essen sehr einfach war,
ohne besondere Würze oder Raffinesse, aber mit Produkten, um die uns
heute manche Gourmetküche beneiden würde. Das passt zu dem, was Rita
Pöll
Pöll, Rita: Zommessen. Bäuerliche Tischgewohnheiten und die
Esskultur im südlichen Tirol (1800–1950), (Master-Thesis,
Donau-Universität Krems, Ms.).
Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich bei der Autorin für das
Überlassen des Textes und bei Judith Schwarz für die Vermittlung und
die guten Anregungen herzlich bedanken.
über das Essen in Südtirol zwischen 1800 und 1950 schreibt.
Wenn Hinterpsairer auswärts auf Dienst waren, klagten sie oft über das
Essen und fanden, dass es daheim besser war. Meine Naandl war in
jungen Jahren als Diërn in Schenna, als es dort noch nicht massenhaft
Hotels, sondern neben reichen auch ziemlich arme Bauern gab, und
erzählte, dass es sieben Mal in der Woche zu Mittag und abends plentine
Knëidl gab.
Man legte auch früher Wert auf gutes Essen und wusste a ggschmachls Sippl (eine schmackhafte Suppe) oder a ggschmachigs Gireascht zu schätzen. Ggschmåchn ist allerdings zweideutig: es kann der Geschmack sein, aber auch der Geruch, und zwar auch ein unangenehmer, weil schmëckn ja für ‘riechen’ steht, und zwar sowohl in dem Sinn, dass etwas einen Geruch verströmt, als auch, dass jemand diesen wahrnimmt. Wenn jemand also sagte dës Schnitzl håt schun an Gschmåchn, dann bedeutete das, dass es bereits einen verdächtigen Geruch verströmte. Demnach sollte der Kellner, wenn er fragte, obs schmëckt, vom Passeirer besser keine positive Antwort bekommen. Nur a guët schmëckits (wohlriechendes) Essen war gefragt.
Für die Beschreibung des Aussehens, des Geschmacks und des allgemeinen Zustandes von Speisen gibt es einen ausgebauten Wortschatz. So haben wir bereits gesehen, dass das Proat – in vielen Teilen Südtirols sagt man schon Prout oder gar Proot – hërt oder linde sein konnte. Linde wurde nur für das Weißbrot gebraucht, obwohl auch das frisch gebackene Brot, die Zeltn und Struuzn gegessen werden mussten, bevor sie hërt wurden. Viele im Land wissen nicht mehr, dass die Arbeit hårt ist und das Brot hërt, weil auf Hochdeutsch dafür beide Male ‘hart’ steht. Schlecht war es, wenn Stellen im Brot wëtzstuënig oder stuënwëtzig geworden waren. Das waren dunkle, glasige, steinharte Stellen, an denen man sich die Zähne ausbeißen konnte. Auch a tålggits Proat (schlecht geknetet oder nicht richtig durchgebacken) war ein großer Tadel. Und a talziger Riibl konnte die Eahåltn (Dienstboten) sehr verärgern; da durfte er eher noch schraftig (cross, an der Oberfäche hart) sein. A zaachs Schnitzl, von dem man dann sagte mit den kanntsche di Schuëche souln (damit könntest du den Schuhen Sohlen verpassen), gabs zu unserer Zeit nur im Gasthaus, denn daheim wurde keines gebraten. Dass das Essen weder laabilit (salz- oder geschmacklos) noch raaß (versalzen) sein durfte, war nicht anders als heute. Da wir damals nur den Kelder als Kühlmöglichkeit hatten, der zwar lange Zeit auch im Sommer noch relativ kühl blieb, konnte es doch passieren, dass s Schmålz oder der Speck rantsch (ranzig) wurde.
Neben diesen Geschmacksrichtungen gibt es auch noch hantig (bitter), natürlich saur und siëß, dazu auch mettsiëß (übersüß), das auch für Leute, die süß mögen, zu viel werden kann. Auch terpe (trocken und herb) oder goal (fad, ohne Würze) ist ein unangenehmer Geschmack.
Neben diesen Eigenschaftswörtern gibt es eine Reihe von Zeitwörtern, die den Geruch oder Geschmack von Speisen beschreiben, die alle auf -ilin ausgehen: starchilin, rantschilin, schmerfilin, schmerggilin, beschreiben alle einen unangenehmen Geruch nach ranzigem Fett; dazu tëibilin (modrig riechen). Und dann die einzelnen Gerüche nach bestimmten Substanzen: knoufilin (nach Knoblauch), printschilin (nach Verbranntem), sairilin (nach Saurem), stopsilin (nach Korken), wildilin (nach Wildfleisch), kaasilin (nach Käse). Verschiedene Bedeutungen hat griënilin, je nachdem, ob es auf Käse angewandt wird, bei welchem es ‘unreif schmecken’ bedeutet oder auf das Fleisch abgestürzter Tiere, denn dieses nahm eine grünliche Verfärbung an, wenn es länger in der Wärme gelegen war. Dass die Milch sunnilin kann, haben wir bereits gesehen. Zum Glück gibt es auch guëtilin (gut riechen oder gut schmecken). Ein Bauer hat vor Jahren begründet, warum er das ganze Kraut habe wegwerfen müssen, mit den Worten: woos woaß ii, woos mit dee Ruëbm giweesn isch, s Kraut håt hålt ggsullilit (nach Jauche geschmeckt).
Bei der oben beschriebenen Form des gemeinsamen Essens gab es keinen Spielraum für Sonderwünsche oder Extrawürstchen, und der allgemeine Leitspruch “Åftern Hoagglsain gips nicht mear” hatte auch hier seine Gültigkeit. Natürlich mochten wir nicht alle alles gleich gern, und wenn jemandem etwas nicht schmeckte, dann hat man ihm das auch angemerkt und man hat gesagt haint tuët der Sepp hoach kujin. Manchmal hat man auch etwas mit Iibermåcht gessn, man hat also etwas mit großer Überwindung hinuntergewürgt: entweder weil man etwas essen musste, was einem gar nicht schmeckte, oder weil es so gut war, dass man bis zum Überdruss aß.
Die Beschreibung des Kochvorgangs unterscheidet sich nicht sehr von dem in der Hochsprache.
Die Speisen kann man siëdn, tempfn, prootn, reaschtn, påchn und man kann etwas långgsum sottern låssn (köcheln lassen) oder reasch ooschrëckn oder iiberschloogn (kurz anwärmen). So konnte jemand sagen trink nit dee kålte Milch, ii tuëdeers’a pissl ooschrëckn.
Bevor die Köchin zum Herd ging, sagte sie meist iëz gea i giën d’Eertëpfl iibertiën oder i gea a Flaischsupp austëlln. Wenn eine Hausfrau angeben wollte, dann hat sie augikocht (besonders gut und reichlich gekocht) und augitroogn (groß aufgetischt), aber im Allgemeinen war an auwenterisches Waibiz (eine verschwenderische Frau) eher verschrien.
Wir alle kennen Beispiele, in denen das Aussehen oder die Qualität von Gegenständen, Pflanzen oder Tieren auf Menschen übertragen wird. Jeder weiß, was gemeint ist, wenn man jemanden an Larchin(en) nennt oder von einem zeetign Kind redet. Dasselbe findet auch beim Geschmack oder der Beschaffenheit von Speisen statt. A Rogger oder Rogginer z.B. ist einer, der eher ungeschliffen und grob zuwege kommt, und a woazis Mandl ist ein Sensibelchen, also einer, der nicht viel verträgt. Eher auf Frauen angewandt wird hantig: a hantigs Waibiz ist eine unfreundliche, nicht sehr umgängliche Frau. Auf zwei Typen wird siëß angewandt: a Siëßer oder a Siëße kann eine Person sein, die übertrieben freundlich tut – und die man dann nicht für besonders ehrlich hält! Aber das Eigenschaftswort kann auch die geschmackliche Vorliebe eines Menschen beschreiben, und dann ist a Siëßer eben einer, der sehr gern Süßes hat. Mein Vater hatte einen Knecht, den man deswegen s Siëße Seppile genannt hat. Er soll, als man vom Pauin (Pflügen) zum Mittagessen ging, schon am Rand des Ackers gerufen haben Jëi Taigl, haint schmëcktmin schun di Krapfler! (Oh je, heut riecht man schon die feinen Krapfen!). Einen sehr langweiligen Zeitgenossen oder eine Peetggnuëngge beschreibt man auch als laabilit. Die deftige Süßspeise, die man Milchnockn nennt, kenne ich nur aus Schnals, bei uns hat es die nie gegeben; wohl aber den Ausdruck, denn an Milchnockn nennt man bei uns einen Mann ohne Brustbehaarung. Auch die Art, wie Menschen reden, kann mit Wörtern beschrieben werden, die ursprünglich für das Essen bestimmt waren, denn man sagt, dass einer tålggit rët oder dass er muëst, wenn er undeutlich spricht oder lallt.
Natürlich gibt es auch Sprichwörter und Redewendungen und gelegentlich auch Anekdoten rund ums Essen. So erzählte man sich von einem reichen Bauern aus der Gegend um St. Leonhard, dass er beim Krapfenessen den Löffel weglegte und sagte mit drai Krapfler håtmin grod wolte fain gessn. Als die Knechte und Mägde den Hinweis nicht verstanden, weil sie ordentlich Appetit hatten, soll er wieder zugegriffen haben mit den Worten i siich schun; goor werts dëchter.
Der Spruch, dass fin ar dickn Suppe nou nië kuën Knecht ferrennt isch, ist wohl im ganzen Land geläufig. Glücklich geschätzt wurde jemand, der an Moogn wië a Holzschupfe hatte. Ein sehr bildhafter Ausdruck ist fressn wië a Pouflstiër. Wahrscheinlich hat man früher oft noch Rinder im Poufl gemästet, und wer gesehen hat, wie gierig die Tiere das zarte Gras fressen, der versteht die Redewendung.
Miër sain nit a der Prennsuppe heeggschwummin, ist weiter verbreitet, aber es gibt natürlich auch den Spruch Psairerpluët isch kuën’ Prennsuppe. Dass man von etwas Minderwertigem sagt, es sei ëppis wië hintern Sea s Wåssermuës, haben wir bereits gesehen. Aber es gibt auch die tröstliche Gewissheit, pin an Muëspauch isch fain liign (mit vollem Bauch schläft man wohlig ein). Wenn man meint, dass jemand sich zu viel zumute, sagt man tuëder nit zifiil Kraut außer! Und duu måggsch nou lång Muës essn, bedeutet, dass der oder die Angesprochene noch viel größer und stärker werden muss, um bestimmte Dinge zustande zu bringen. Dafür gibt es auch den Ausdruck doo måggsche nou lång Knëidl essn, piste dës derpåcksch. Wenn jemand mit dem Löffel Essen verschüttete, weil der Weg von der Pfanne oder der Schüssel zum Mund ja recht weit war, dann sagten die anderen haint håsche firn Fuërknecht nicht gipeetit. Mein Vater hat von irgend jemandem den Spruch gehört fi der Welt håtmin lai, woosminer ooderfrisst. Wenn das stimmt, dann fressen heute viele der Welt viel mehr ab, als wir es imstande waren.
"Essen"
Artikel in dieser Serie:
- Sonntag, 15. Januar 2023 - s Essite (1. Teil)
- Freitag, 10. Februar 2023 - s Essite (2. Teil)