Dialekt und anderes
Franz Lanthaler
houl kilbe oder haunzit
Klima und Wetter
Für Menschen, die sehr viel Zeit a der Waite (unter freiem Himmel) verbringen, haben Klima und Wetter eine ganz andere Bedeutung als für den Städter, der sich in seine geheizte Wohnung zurückziehen kan. Das setzt sich dann auch in der Sprache ab. Daher ist es nicht verwunderlich, dass es in unseren Dialekten viele Bezeichnungen für klimatische Erscheinungen gibt. Und natürlich wussten die Leute immer schon auch die Anzeichen für bevorstehende Wetterereignisse zu deuten, denn schließlich musste man ja rechtzeitig entscheiden, ob man s Hai nou kearn (wenden) oder s Gruëmit ggårggern (auf Sprossengestelle legen) sollte. Erst Anfang der 50er, als der Knecht unseres Nachbarn ein Radio kaufte, konnten wir uns auf den Wetterbericht von Radio Beromünster verlassen.
Als ich einem Bauern im Burggrafenamt erzählte, dass Jausch bei uns für einen feinen Sprühregen in der Sonne gebraucht wird, gestand er mir, dass er bisher nur den Jausch an den Äpfeln gekannt habe, gegen den er immer wieder Spritzmittel einsetzen musste. Dass wir im Passeier eben das als Jausch bezeichnen, gegen dessen Folgeerscheinung er zu kämpfen hatte, das hatte er nicht gewusst.
Eine typisch passeirerische Frage, wenn jemand in der Früh am Fenster stand, war: wië sigger? (wie sieht es aus?), wobei mit er nur der Tag gemeint sein konnte. Wer so gefragt wurde, musste dann sehen, obs richtig zuicht (ob die Wolken richtig ziehen), obs zuëtuët und heesigg zi reegnin (ob es bewölkt wird und nach Regen aussieht), wous woll nit zuërichtit (ob sich wohl nicht ein Gewitter zusammenbraut) oder obs filaicht auraißt (ob es vielleicht aufheitert). Aber natürlich konnte er auch sagen es isch glooshoater (strahlend blauer Himmel), oder pa di Jëcher sain uënlitze Neebl ummer (an den Höhen hängen einzelne Wolken). Wenns reasch zuëtuët (sich schnell bewölkt) kann einer leicht a Wetter (ein Ungewitter) vorhersagen.
Ganz ungern hat man a haunzits Wetter. Bei uns gibt es haunzit nur mehr als Eigenschaftswort; im Etschtal sagte man früher haunzn für ‘finster dreinschauen’, und nach Schöpf J.B. Schöpf (1885): Tirolisches Idiotikon. gab es die Redewendung: haunzn wië der Tuifl hintern Oufn. Das beschreibt gut, was mit einem haunzitn Wetter gemeint ist, eben eine ‘düstere, kühle und unfreundliche Atmosphäre’.
Über die mit dem Schnee zusammenhängenden Ausdrücke gibt es einen ausführlichen Abschnitt im Psairer Wërterpuëch, deshalb können wir den Bereich hier ausklammern.
Für Regen gibt es natürlich auch im Hochdeutschen viele Bezeichnungen, je nach Intensität und Begleiterscheinungen. Aber im Dialekt gibt es gelegentlich andere Wörter dafür.
Im Passeier kann das schlechte Wetter vom Norden, über den Alpenhauptkamm kommen, oder mitn Låntwint, der es von Süden bringt. Allerdings pflegten die Alten auch zu sagen: Wenns in Låntwint autuët, hëp s Wetter (wenn es mit dem Südwind aufklart, hält das schöne Wetter an). Zwar braucht es den Regen natürlich, aber er kommt auch oft zur Unzeit. Wenn man gerade das Heu einbringen will, dann wird das Regenwetter nicht mehr nur als Reachwetter bezeichnet, sondern als Fåcknwetter oder, wenn es länger dauert, als lästige Haifetze. Überhaupt hat das Wetter seine Tücken, vor allem wenn es anhaltend heiß oder regnerisch ist. Mein Vater pflegte zu sagen: Wenns truckn geat, wåxt nicht, und wenns nåss geat, kriëggschis nit. Das fasste die Beobachtung zusammen, dass in einem trockenen Sommer sehr wenig wuchs – wenn man, wie bei uns, keine Möglichkeit zur Bewässerung hatte – und dass in einem verregneten Sommer das Gras zwar gedieh, dass man aber das Heu nicht trocken in die Scheune bekam.
Für den Regen gibt es vor allem zwei Abstufungen: entweder es pfoust,
spuudert oder (p)feesert, das sind die Bezeichnungen für einen
’leichten Nieselregen’, der, wenn er nur kurz dauert, a Spuuzer oder
a Spritzer ist. Das Wort pfousn kommt von Pfouse, das bedeutet
Franse oder Fussel. Wenn es pfoust, ist das also, als würden leichte
Fusseln von einem ausfransenden Stoff wegfliegen. Spuudern ist
natürlich das Versprühen von Speicheltropfen. Und feesern oder
pfeesern kommt wahrscheinlich von mittelhochdeutsch vësel
für
‘Spreu’. Wir haben also für den Nieselregen bildhafte Ausdrücke aus
drei verschiedenen Bereichen. Bis hierher regnet es grad so viel, dass
kaum di Traafn giën (Regenwasser vom Dach rinnt).
Das Wort jauschn ist interessant aus dem bereits oben angegebenen Grund. Da Jausch in der Meraner Gegend und im Etschtal nur mehr für den durch diese Art Regen erzeugten Schorf an den Apfelbäumen steht, ist das Verb wohl nur mehr im Passeier lebendig.
Wenn es jedoch richtig regnet, bei einem heftigen Platzregen oder einem Gewitter, also einem Wascher, dann sagt man: es schittit, guißt/giëßt, wascht, wettert. Aisnsteckn reegnts zwar nie, aber es gibt die Redewendung: Haint giëmer, unt wenns Aisnsteckn reegnt! Die Engländer sagen dann: “Es regnet Katzen und Hunde.”
Wenn es heftig regnete oder eine lange Regenperiode gab, mussten die Waale ausgeputzt oder manchmal neu angelegt werden, um Murenabgänge zu verhindern. Dazu benutzte man eine eigene Waalhaue.
Schaur bedeutet etwas anderes als das standardsprachliche Schauer, das für einen heftigen Regenguss steht, denn im Dialekt bedeutet es ‘Hagel’, entsprechend sind die Schaurstuane die ‘Hagelkörner’.
Es sturmp, wenn der Wind den Regen herpeitscht. Wenn man dann nicht will, dass es uën inwoacht, dass man also völlig durchnässt wird, muss man a Nummerelle nehmen. Das n vorne dran kommt natürlich nicht von Nummere, sondern es wurde an das romanischstämmige Wort angefügt. Man hat gesagt: Nimmder an Umerelle miit!, oder: Ii hån kuën Ummerelle miitkhåp. Und irgendwann hat man dann falsch abgetrennt und gemeint, es heiße a Nummerelle (siehe auch Fulfis, bei Geländenamen). Man kann natürlich auch an Scherbm oder an Unterstånd suchen, also ein schützendes Dach, wo man unterstiën kann. Vor allem die Hirten, die immer in Wetter afoure (in Wind und Wetter draußen) sein mussten, wussten solche schützenden Orte zu schätzen, deren es im Berg meist nicht viele gibt. Wenn man Glück hat, ist ein Goodn (Heuhütte) in der Nähe, im Wald kanns auch a zottlte Scherbmfaichte sein, eine Fichte mit weit ausladenden struppigen Ästen, die guten Schutz bietet. Wenn der Unterstand allerdings nicht mehr ein gutes Dach hat, kanns auch niidergiën. Bei unserer alten Kaaser mussten wir oft eine Melter oder Kåndl unterstëlln, weil das Dach nicht mehr dicht war.
In vielen Dialekten gibt es für das Wetterleuchten den Ausdruck Himmlitzn. Das gibt es auch im Außerpasseier; im Hinterpasseier hat das eine eigene Bezeichnung, nämlich Hitze plitzn. Da der Widerschein eines fernen Gewitters nur an heißen Sommertagen zu sehen ist, ist dieser Ausdruck durchaus stimmig. Für Plitz und Tånder gibt es natürlich auch verschiedene Bezeichnungen. Ein Pläggerer bezeichnet ein ‘schnelles Aufblitzen’; dazu gibt es auch pleggern und fuirn. Ein Kuuglplitz ist natürlich dasselbe wie auf Hochdeutsch. Wenn der Blitz im Wasser inschlågg, dann handelt es sich um einen Wåsserstroach.
Dass die Alpenrosen Tånderpuschn heißen und die Galläpfel auf ihren Sträuchern Tånderëpfl, kann nur daher rühren, dass die Blüten dieses Gewächses in der Zeit der heftigsten Sommergewitter ganze Berghänge in ihr wunderbares Rot tauchen. Schneatånderer ist ein ‘Donnerschlag ohne Blitz’, der oft den Beginn des Winters ankündigt. Der Donner allgemein heißt Tånder, und ein einzelner Donnerschlag ist ein Tånderer oder ein Rumpler, denn wenn es tåndert, rumplts auch.
Neben dem Wissen, dass beim Donner di Milch zåmmgeat (gerinnt), gibt es auch noch eine alte Wetterweisheit: Wenns fourn Reegn tåndert, wert s Wetter nit åndert (wenn es donnert, bevors regnet, kommt kein nennenswerter Regen mehr).
Ein schönes altes Wort gibt es für bewölkt, nämlich kilbe. Es kommt
vom mittelhochdeutschen Wort gehilwe
für Wolken, das wahrscheinlich von
dem Zeitwort hilwen
kommt, was so viel hieß wie ’eintrüben, trüb
machen’. Daher bedeutet houl kilbe, dass trübes Wetter ist, aber ohne
Regenwolken, also nur leichtes, bodennahes Gewölk. Bei solcher
Wetterlage, oder auch bevor der Regen einsetzt, sind di plintn Preemin
(Regenbremsen) oft lästig, allerdings auch, wenn es schwül und druckit
ist.
Natürlich gibt es auch im Passeier das Wetterkraiz, das Kreuz mit den drei Querbalken, das auf ausgesetzten Höhen vor Ungewitter schützen soll. Als Sturmwarnung und Feueralarm hat man die Glocke ggschråckt, d.h. man hat ‘abgehackt geläutet’, indem man nach jedem Anschlag gestoppt hat.
Aus dem Obigen ist schon klar geworden, dass Neebl sowohl für ‘Nebel’ als auch für ‘Wolke’ steht. Der über den Feldern schwebende Herbstnebel heißt Rain.
Vom Wind war schon die Rede. Dass der Wint über Guët- und Lëtzwetter entscheidet, weiß bald einmal jedes Kind. Das Wort Föhn gibt es bei uns, wie auch in vielen anderen Dialekten, nicht, sondern das ist der wårbme Wint. Und wenn ein kalter Nordwind gutes Wetter bringt, dann heißt er aus gutem Grund der Hoatere.
Der Wind kann ploosn und waan(in). Letzteres sagt man allerdings nur, wenn er etwas ferwaant, also sichtbar ‘fortträgt’, was vor allem beim Schnee der Fall ist, aber auch bei Staub. Und bei der Heuarbeit kann es schon passieren, dass a Draandlwint (Windhose) ganze Büschel fi di Kearn (Heuschwaden) aufwirbelt. Ein einzelner heftiger Windstoß wird trotzdem a Waaner genannt.
Wenn der Wind sehr laut ist, dann luurlt er, und wenn er überaus laut wird, ist es a Wint wië a Muare.
Einer Muare oder einem Wintwurf verdanken wir auch den Geländenamen
Griëne südlch vom alten Seehof, von mhd. gerüne
für ‘übereinander
geworfene Baumstämme’. Der Name rührt wohl vom Bergsturz her, der einst
den Kummersee gestaut hat.
Außer Wint und Sturbm, die sich ja kaum von der hochdeutschen Bezeichnung unterscheiden, kann auch a fains Liftl giën, das willkommen ist, wenn man an heißen Tagen gern etwas Kühlung hätte. Und in vielen Dialekten bezeichnet der Luft einen kühlen Luftzug, den die Seeleute wohl eine Brise nennen würden.
Im Winter gibt es nicht nur den Schnee, sondern es ggfruirt auch, am Morgen ists raifig (es liegt Raureif) und es kann einen a der Ggfrischt oder afn Eerais inhnhauin (auf den gefrorenen oder vereisten Boden werfen). Und trotz der Faischtling (Wollhandschuhe) kann es einen oonnëiglin (Kälteschmerz in den Fingern verursachen). Vor allem um die Zeit der Wåschtiskëlte (20. Jänner) geht der Bach dann in Rougais. Das ist eine dünne Eisschicht auf fließendem Wasser, bei der sich auch Treibeis bilden kann. In dieser kältesten Zeit mussten wir oft auaisn (das Eis aufhacken), wenn wir die Kühe zum Brunnen trieben. Und sogar auf den Kannen in der Küche bildete sich eine dünne Eisschicht, weil ein Fenster offen gelassen wurde, damit die Specksaitn in der Aasn (am Küchengewölbe) in Zuugluft hingen. Wenn man dieses Wasser trank, konnte es einen arggn (Kälteschmerz an den Zähnen erzeugen). Und natürlich war die Küche am Morgen wië an Aiskelder (wie ein Kühlraum), bis in Heert und Oufn oonggschiirt (Feuer gemacht) wurde.
Wenn einer ggfriirl (kälteempfindlich) ist, kann er sich in dieser Zeit leicht di Zeachn derfrearn (Erfrierungen an den Zehen zuziehen).
Auch im Frühjahr können im Nachtfrost noch die Blüten ferprinnin, die zu früh gekommen sind, wie wir das ja auch heute immer wieder erleben.
Wenn der Schnea dergångin isch (geschmolzen ist), haben sich auf unserem Schulweg Aisplootern (vereiste Flächen) gebildet. Im April 1948 mussten meine Schwester Luise und ich auf dem Weg zur Schule im Miilloch unter Rabenstein umkehren, weil es die Erwachsenen versäumt hatten in die Aisgålle (große vereiste Stelle), die sich auf dem dortigen Hohlweg gebildet hatte, Staffl (Stufen, Kerben) zu hacken.
(Foto: Florian Lanthaler)