Dialekt und anderes
Franz Lanthaler
Stuuzschnållit und såckoorschit
Körpersprache
Das Wort “Körpersprache” ist vor der Jahrtausendwende kaum in einem Lexikon zu finden. Heute verwendet es jeder Sportreporter, wenn er aus Körperhaltung und Gesichtsausdruck von Wettkämpfern herauslesen will, ob sie noch Energie haben und an den Sieg glauben oder schon aufgegeben haben. Und es gibt sogar Abhandlungen über die Körpersprache bei Hunden und Eseln usw. Das ist eine relativ neue Wissenschaft, und man kann sich natürlich fragen, was das mit dem Passeirer Dialekt zu tun hat. Die Antwort ist einfach: Sehr viel. Schon lange, bevor P. Watzlawick den Satz formulierte: “Man kann nicht nicht kommunizieren” – womit gesagt ist, dass wir auch ohne Worte mit unserem Körper immer Botschaften aussenden –, waren viele dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse in unserer Sprache festgehalten; man hätte nur genauer hinschauen müssen.
Das Wort Körpersprache besagt nichts anderes, als dass wir aus Körperhaltung, Gesichtsausdruck und Gestik auf innere Zustände wie Gefühlslage und Absichten oder ganz allgemein auf Charakterzüge einer Person schließen können. Denn unser Körper verrät nicht nur physische Zustände, wie etwa die Empfindung von Kälte durch Zittern oder Erhitzung durch Schweißausbruch, sondern dieselben Phänomene können auch bei Angst oder Aufregung und Anspannung auftreten. Neben diesen unwillkürlichen Körpersignalen gibt es auch mehr oder weniger bewusste, die wir aussenden. Wer im Wartezimmer des Doktors oder im Zug starr zu Boden blickt oder die Augen schließt, gibt damit zu verstehen, dass er seine Ruhe haben und nicht angesprochen werden will.
Zwar kann man auch konventionelle Zeichen wie das Hand-Aufhalten von Anhaltern oder das Ja- und Nein-Schütteln mit dem Kopf sowie das verpönte Daitn beim Wattn (durch vereinbarte Zeichen dem Partner andeuten, welche Karten man hat) als Körpersprache werten, aber das ist hier nicht vordergründig gemeint.
In diesem Artikel geht es auch nicht um körpersprachliche Signale an sich, denn die sind ja sprachunabhängig, sondern um die Ausdrücke und Redewendungen in unserem Dialekt, die auf solche verweisen. Eine Vielzahl davon beweist nämlich, dass die Menschen schon immer auf körpersprachliche Zeichen geachtet und sie auch auf besondere Weise benannt haben. So weiß wahrscheinlich niemand außerhalb von Passeier, was schelch isch hoachggseechn bedeutet. Wörtlich übersetzt, würde es auch niemandem etwas sagen, aber es bedeutet nichts anderes, als dass, wer seinen Kopf leicht schief trägt, sich erhaben fühlt und überheblich ist. Diese im Passeirer Dialekt festgehaltene Erkenntnis wird von wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigt und ist in Lehrbüchern nachzulesen. Ein typischer Passeirer Ausdruck dürfte auch hoach kuijin sein. An der Art, wie jemand kaut, merkt man, ob ihm das Essen schmeckt, und wenn einer hoach kuit, also lustlos mümmelt und nicht richtig zubeißt, scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Interessant an diesem Ausdruck ist, dass er auch dann verwendet werden kann, wenn jemand gar nicht beim Essen ist. Man erzählt nämlich zem håtse hoach gikuit, wenn einer Person anzumerken ist, dass sie sich mit etwas abfinden muss, das ihr ganz gegen den Strich geht.
Man hat auch aus dem Verhalten von Tieren schon immer deren innere Zustände abgelesen. Wie wäre sonst stuuzschnållit zu erklären? Ein Hund, der geschlagen oder fortgejagt wird oder im Kampf mit einem anderen Hund unterlegen ist, macht sich mit dem Schwanz zwischen den Hinterbeinen und abgesenktem Hinterteil davon. Dies signalisiert die Angst vor (weiteren) Schlägen. Solche Vorstellungen hat man dann auf menschliche Empfindungen und Verhaltensweisen übertragen. Deswegen heißt es auch in der Hochsprache “wie ein geprügelter Hund”. Wenn bei uns jemand sagt når ischer stuuzschnålliter derfoon, dann besagt das, dass einer sich deprimiert oder blamiert davongemacht hat. Das beschreibt die Empfindung oder Haltung dessen, der als Unterlegener und gedemütigt aus einer Auseinandersetzung hervorgeht. Dazu passt auch såckoorschit, was so viel bedeutet wie ‘mit tief hängendem Gesäß’. Eigentlich beschreibt es die Haltung von jemandem, der nicht ganz aufrecht geht, wie man es von selbstbewussten und gut gelaunten Personen gewohnt ist.
Es gibt noch weitere Ausdrücke und Redewendungen, in denen das Verhalten von Menschen mit dem von Tieren verglichen wird. Zwar kann schlåppoarit auch auf jemanden mit abstehenden Ohren verwendet werden, aber meistens bedeutet es ‘mit herabhängenden Ohren’, was nur auf Tiere zutrifft, die ja auch die Ohren aufstellen können, wenn sie aufmerksam horchen. Wenn wir also jemanden als schlåppoarit bezeichnen, dann beschreibt das eine Person, die niedergeschlagen oder nicht besonders wach und rege wirkt. Die gleiche Bedeutung hat auch das seltener gebrauchte muuzoarit. Eine ähnliche Bedeutung hat es, wenn man sagt, dass einer muttlter ziweege kimmp. Vielleicht, weil eine hornlose Goaß einen weniger heiteren Anblick bietet als eine mit Hörnern. Daher wohl auch der Ausdruck an auhournts Maadile (ein aufgewecktes, lustiges Mädchen). Genau genommen schließen wir aus der Körperhaltung oder dem Gesichtsausdruck auf bestimmte innere Zustände von Personen und beschreiben sie dann mit den aus der Tierwelt übernommenen Ausdrücken.
Wenn jemand mullt, zeigt er ein beleidigtes Gesicht, und Mullile fiëtern sagt man, wenn Kinder schmollen. Wohl weil das Muli als störrisch gilt, muss es für diese Redensarten Pate stehen. Ein bildlicher Ausdruck aus der Tierwelt ist wiederum si aumandlin oder Mandl måchn. So sagt man, wenn jemand energisch protestiert oder sich zur Wehr setzt. Ursprünglich kommt es von Vierbeinern, die sich auf die Hinterbeine stellen, um größer zu erscheinen. Daher wird es meist auch auf Leute angewandt, die größer erscheinen wollen, als sie sind, oder bedeutender, als es ihre Stellung in der Gemeinschaft ist. Das können sie natürlich nur mit Worten oder Gesten tun, aber wir verwenden dafür den ursprünglich auf Tiere bezogenen Ausdruck.
Selbstverständlich werden körperliche Erscheinungen bei Menschen auch direkt angesprochen und die entsprechende Haltung wird interpretiert. Wenn wir sagen, dass eine kaaswaiß in Ggsicht giwortn isch, dann beschreibt das das Erschrecken, und mit es ischn auchngiprunnin, sagen wir, dass ihm der Zorn oder die Schamröte ins Gesicht gestiegen ist. Und wenn einem di Gens’augiën, kriegt er die Gänsehaut, entweder vor Kälte oder, weil ihn etwas so erschauern lässt. Hoobmse frai in Kroogn girëckt, dass s’ålls dersaachn macht die Neugier der Menschen augenscheinlich.
Da das Gesicht ein Spiegel unseres seelischen Zustandes ist – zumindest bei Menschen, die sich nicht so gut verstellen können – ist es ein wesentliches Organ der Körpersprache, wobei insbesondere Augen und Mund sehr ausdrucksstark sein können und daher häufig in Redensarten vorkommen. S Maul auraißn oder, noch drastischer ausgedrückt, an Kårrn auraißn kann heißen, dass sich hier jemand sehr lautstark äußert oder etwas ausplaudert, was er besser für sich behalten hätte. Wenn es jedoch aus Schläfrigkeit oder Sauerstoffmangel geschieht, dann steht es für ‘gähnen’. Aber es wird auch verwendet, um zu beschreiben, dass man jemandem die große Überraschung anmerkt, die durch ein Ereignis oder eine Nachricht hervorgerufen wird.
Moutsch ist die Bezeichnung für den Schmollmund, vor allem bei Kindern; daher ist moutschn oder an Moutsch måchn ungefähr dasselbe wie mulln.
Dass einem etwas missfällt, kann man andeuten, indem man schnauft, was an sich einfach ’laut atmen’ bedeutet, in diesem Fall jedoch, dass man durch die halbverschlossene Nase die Luft betont laut ausstößt; es entspricht wohl mehr oder weniger dem hochdeutschen Naserümpfen. Noch einmal verstärkt wäre dann schnuudern, das auch das Geräusch des Schneuzens mit einbezieht. Hier bewegen wir uns in einem Zwischenbereich: Es handelt sich um lautliche, doch nicht um sprachliche Äußerungen. Allerdings werden sie auch erwähnt, wenn sie gar nicht vorkommen. So kann jemand sagen zem håter ggschnauft, oder zem håter lai asou ggschnuudert, einfach um anzudeuten, ‘man hat ihm angesehen, dass ihm das ganz und gar nicht gepasst hat’. Dasselbe gilt für spuudern, was an sich ‘prusten, feine Speicheltröpfchen verteilen’ bedeutet, oder bei Kindern, wenn sie den Brei ausspuudern. Man kann es als eine Vorstufe zu pfui sehen, denn es ist tatsächlich mit dem Ausstoßen eines pf verbunden und drückt die abschätzige Bewertung eines Sachverhalts aus. Auf all diese trifft das zu, was oben zu hoach kuijin gesagt wurde.
An Aigl zuëdruckn hat unter Umständen dieselbe Bedeutung wie der hochsprachliche Ausdruck ’ein Auge zudrücken’, also ’etwas großzügig übersehen, durchgehen lassen’. Aber s’uën’Auge zuëdruckn ist wörtlich gemeint, denn durch Augenzwinkern kann jemand eine verdeckte Botschaft aussenden oder hinter dem Rücken der anderen jemandem sein Einverständnis bekunden. D’Augn auraißn wiederum hat eine ähnliche Bedeutung wie oben s Maul aureißn, es steht nämlich für Überraschung und Staunen. Wasserig’Augn wiederum deuten auf Ergriffenheit und Trauer, und wer finschter heeschaugg, ist verärgert oder zornig oder böse. Man kann auch haunzit heeschaugn. Das Wort wird meist für unfreundliches und kühles Wetter benutzt, aber es kann eben auch einen unfreundlichen und abweisenden Gesichtsausdruck beschreiben. Sprouzn oder in Sprouzer hoobm beschreibt den Gesichtsausdruck einer Person, die entweder gegenwartsvergessen und gedankenlos oder gedankenverloren vor sich hinstarrt. Mit håsche haint in Sprouzer? wird der oder die Betreffende dann in die Gegenwart zurückgeholt. Zumal die Augen das ausdrucksstärkste Element im Gesicht sind, gibt es viele Wendungen mit schaugn, so auschaugn oder uën oonschaugn, die bekunden, ob eine Person das Geschehen um sich oder jene, die sie ansprechen, überhaupt beachtet. Eine besondere Bewandtnis hat es mit heewert oder heerwert schaugn. Die konkrete Bedeutung ist ‘herüber schauen’, also in die Richtung, aus welcher man angesprochen wird, aber es bekommt auch eine symbolische Bedeutung: Zem muëß uëns håld aa heewert schaugn! besagt nichts anderes, als dass jemand einlenken und einer friedlichen Lösung von Problemen zustimmen sollte. Damit wird die ursprüngliche Beschreibung einer Körperhaltung auf eine grundsätzliche Einstellung Problemen gegenüber übertragen.
Touzn ist ursprünglich sicher ‘dösen’. Wer nun vor sich hindöst, hat ein unbewegtes Gesicht, daher kann touzn dann für ‘beleidigt sein, trotzen, sich stur verhalten’ stehen und a Touz ist ein Sturkopf oder es beschreibt ein entsprechendes Verhalten, wenn jemand an Touz hat.
Die biblische Beschreibung der Hölle, mit “Heulen und Zähneknirschen”, hatz ein Rabensteiner so ins Soziale gewendet: Wemmer in der Hëlle kemmen, nor sitzn d’uën pan Fuir dinnen, und miër klappern afoure mit di Zende (Wenn wir in die Hölle kommen, dann sitzen die andern drinnen beim Feuer, und wir klappern draußen mit den Zähnen). D’uën sind natürlich di Groaßgrintitn (die oberen Zehntausend).
Während man bei uën in Grint fiirstëlln versteht, dass hier einer dem andern schmollt, und bei an Grint auhoobm klar ist, dass hier jemand stur ist, ist Noose måchn für ’ein beleidigtes Gesicht’ wohl nur mit dem bereits erwähnten Naserümpfen gleichzusetzen.
Ganz eindeutig wiederum besagen in Kopf hångin låssn und ålls hångin låssn, dass jemand mutlos und enttäuscht ist.
Dass die Zunge nicht nur für die sprachliche Kommunikation gebraucht wird, sondern dass di Zunge fiirstelln, meist gepaart mit einem entsprechenden Gesichtsausdruck, vor allem bei Kindern,Verachtung für das Gegenüber ausdrückt, wissen wir alle. Der Tierwelt entnommen und eher nur ein Ausdruck für einen körperlichen oder innerlichen Zustand ist in Schlerper oochnhengin, denn die Zunge lassen vor allem Hunde heraushängen, wenn sie ermüdet oder erhitzt sind. Wenn jemand also sagt zem håni in Schlerper oochnkhengg, dann berichtet er, dass er total erschöpft war. Ähnliches gilt für den Ausdruck di Përschter austëlln. Das kann zwar heißen, dass jemand tatsächlich mit zerzausten Haaren daherkommt, aber eben auch, dass jemand sich gegen etwas sträubt, in Abwehrhaltung geht, und dann kommt es wiederum von einer Beobachtung an Tieren, bei denen sich die Borsten aufrichten können. Wir beschreiben damit die Reaktion einer Person, die etwas, was ihr gar nicht passt, wider ihren Willen hinnehmen muss, auch wenn wir das an ganz anderen Zeichen erkannt haben, nicht an Borsten.
Eine besondere Bewandtnis hat es mit poofn. Viele haben schon vom Pawlowschen Reflex gehört. Der Psychologe I. Pawlow fand bei Experimenten mit Hunden heraus, dass der Speichelfluss bei den Tieren schon einsetzte, wenn sie seine Schritte vernahmen oder wenn sie die Futtertüte rascheln hörten, weil sie dies mit Futter in Verbindung brachten. Genau das besagt poofn: wer pooft, dessen Begehrlichkeit auf etwas ist geweckt. So können Kinder zu einer Speise zuëchnpoofn oder Gasthausbesucher zu einer hübschen Bedienung. Wiederum ist es nicht die Tatsache, dass man den Speichel rinnen sieht, sondern das an Tieren beobachtete Phänomen wird als Beschreibung für eine – oft auch nur vermutete – Empfindung oder Haltung bei Personen verwendet.
Überhaupt werden manche Gefühle oder Verhaltensweisen mit Anspielungen auf Körperteile oder körperliche Vorgänge ausgedrückt, die man gar nicht sehen kann: Zem håtmer s Leeberle ginagglt heißt, dass man Angst bekommen oder den Mut verloren hat. Es drückt wohl einfach ein beklemmendes Gefühl in der Brust aus. Vielleicht geht das auch auf die alte, schon vom griechischen Philosophen Platon vertretene Auffassung zurück, dass der Sitz des Mutes in der Brust liege. Und wenn uëns af di Stockzende låcht, freut jemand sich still vergnügt oder befriedigt.
In dieselbe Richtung geht auch lachilin, das allerdings wieder sichtbar ist. Während låchn unverhohlene Heiterkeit ausdrückt, kann lachilin in verschiedene Richtungen interpretiert werden. Je nach Situation kann es zwischen freundlichem Entgegenkommen, stiller Befriedigung und herablassender Überheblichkeit alles ausdrücken.
D’Åxlin schupfn bedeutet, dass man die Schultern hochzieht oder mit den Schultern zuckt, was Bedauern oder Unentschlossenheit ausdrückt. Wachtlin, fuchtlin und Spergimentn måchn beschreiben unartikuliertes Gestikulieren und drücken damit Zerfahrenheit und Unsicherheit aus.
Fi Joa und Na schittlin oder klatschn brauchen nicht erklärt zu werden; auch können sie schon fast zu den konventionellen Symbolen der Zeichensprache gerechnet werden. Sonderbar ist nur, dass man in Passeier klatschn sagt, und nicht klåtschn, wie es zu erwarten wäre.
Selbstverständlich gehören auch Berührungen zur Körpersprache und haitschn, kindersprachlich haita, haita (streicheln) ist ebenso ein Zeichen der Zuneigung wie Hantl hëibm, das nicht nur Kindern gegenüber, sondern auch bei Liebenden eine sehr enge Beziehung ausdrückt. Anders ist es mit oontåtzn (grapschen), und man hat schon öfters eine Frau sagen hören tuë daine Griffl aweck!
Was die Hände betrifft, wäre noch zu erwähnen, dass iiber der Hånt inschenkn, also jemandem einzuschenken, indem man die Flasche so hält, dass der Daumen über dem Flaschenhals ist und die Handfläche darunter, als unhöflich gilt.
Auch durch engen Körperkontakt werden Gefühle ausgedrückt, so wenn Kinder khuppit, also liebevoll in den Arm genommen werden, und wenn Erwachsene sich hålsn (um den Hals fallen) und sich oopeatern (sich stürmisch umarmen) und natürlich auch wenn sie sich pussn oder a Pussl oder an Schmåtz geebm.
Auch mit den unteren Extremitäten kann der Mensch Botschaften aussenden. Die Kniëschnaggl hat jemand, der nach großer Anstrengung weiche Knie bekommen hat, allerdings kann es auch heißen, dass jemand vor Angst zittert. Wenn wir jedoch jemanden scherzhaft mit sai sou guët und kniëwoach! um etwas bitten, meinen wir etwas anderes, nämlich freundliches Entgegenkommen, also ein weiches Herz. Tremplin (trampeln, stampfen) signalisiert Ungeduld, und schwergglin oder di Schwerggl hoobm zeigt Trunkenheit oder Schwäche an. Zwar ist niiderkniëln vor allem im religiösen Bereich angesiedelt, aber früher mussten Kinder sowohl bei strengen Eltern als auch in der Schule oft auf den Knien ihre Strafe entgegennehmen und in dieser Demutshaltung Abbitte leisten, mit der entsprechenden Formel i pittdii pittmers oo! (ich bitte dich meine Abbitte anzunehmen). Woachtåttlt beschreibt den Gang von Raubtieren, denn es sagt eigentlich ‘auf weichen Pfoten’. Bei Menschen bedeutet es, dass jemand auf leisen Sohlen oder schleichend des Weges kommt. Es kann auch für eine Charaktereigenschaft stehen, für einen Schleicher.
Wir haben bereits oben gesehen, dass unwillkürliche Körpererscheinungen sowohl rein körperliche als auch psychische Zustände ausdrücken können. Wenn wir das, was zu zittern anfangs gesagt wurde, noch einmal aufgreifen, so gibt es einige entsprechende Ausdrücke, z.B. dass jemand fippert (heftig zittert) – wobei man nicht weiß, ob es von Viper kommt oder von vibrieren; auch dass es einen oonagglt (durchschüttelt) oder dass man zittert wië a Lamplschwoaf kommt vor. Das können alles Kälteerscheinungen sein, aber sie können eben auch Angst bekunden, was vor allem gilt, wenn jemand in Schlotterer kriëgg.
Natürlich werden auch in der Standardsprache körpersprachliche Erscheinungen beschrieben, und eine Reihe unserer Beispiele gibt es auch in ihr. So steht schon in der Bibel: “Was blickt dein Auge trübe?”, womit jemand angesprochen wird, der enttäuscht oder verärgert wirkt. Aber viele unserer einschlägigen Ausdrücke aus dem Dialekt gibt es in der Hochsprache nicht. Auch sind die Ausdrücke und Redewendungen im Dialekt meist viel bildhafter und anschaulicher, eben aus dem Leben derer genommen, die sie verwenden. Besonders ausgeprägt ist im Dialekt jedoch die Beschreibung von Haltungen, inneren Zuständen und Charaktereigenschaften anhand von Ausdrücken zu körperlichen Vorgängen, die man gar nicht sehen kann oder die sich im betreffenden Moment gar nicht ereignen, wie wir an einer Reihe von Beispielen sehen konnten.