Dialekt und anderes

Franz Lanthaler


Saufiich, Joorkålb, Jochgair, Kåtznloatern

Tierisches 5: Schimpfwörter, Übernamen, Vergleiche, Sprüche, Geländenamen

Wo man so eng mit den Tieren zusammen gelebt hat, ist es nicht verwunderlich, dass es auch Schimpfwörter und Vergleiche mit Tieren gab, die es ja auch in der Standardsprache gibt, denn, wer als dumm gilt, wird seit jeher als Esel bezeichnet. Da Tiere sehr störrisch sein können, konnten auch sie mit Schimpfwörtern bedacht werden, etwa als Saufiich, Råppmfiich, Luëderfiich oder Huërnfiich. Einmal hab ich mit meinem Vater eine Gruppe Këlber auf Fëss, in unser Almgebiet gebracht und ein Jaarling hat in einem plötzlichen Rappl, vielleicht von Preemin (Stechfliegen) belästig, den Zaun durchbrochen und ist in das etwa 12 m tiefer liegende Bachbett gefallen. Ich musste schnell meinen Bruder Heinrich rufen und zusammen mit dem Vater haben sie das Kalb heraufgeholt. Es hatte nichts gebrochen, aber anscheinend eine Gehirnerschütterung erlitten, denn im Gegensatz zu seiner Zwillingsschwester war es seitdem unberechenbar und wurde von uns di Nårrite (Verrückte) getauft.

Grischerle Foto: Nicholas Rizziero Grischerle

Als schloogit wurden Tiere bezeichnet, die gerne mit den Hinterbeinen ausschlugen, und als stoaßit solche, die häufig mit den Hörnern auf andere Tiere oder auf Menschen losgingen. Wiltling hingegen wurde oft für ein Happ verwendet, das wild herumsprang oder sehr schreckbar, also gar nicht huëmisch (zahm) war.

Vergleiche mit Tieren sind selten schmeichelhaft. Zwar kann jemand schlau sein wie ein Fuchs, aber öfter sind es ungünstige Urteile, die mit tierischem Verhalten verglichen oder beschrieben werden. Und obwohl Rabeneltern ihren Nachwuchs genauso liebevoll großziehen wie andere Vögel, ist “Rabenmutter” etwas vom Schlimmsten, was man zu einer Mutter sagen kann.

Solche Vergleiche und Schimpfnamen gibt es im Dialekt genauso wie im Standard. Ein Mann, der sich grob oder ungehobelt benahm, konnte als Stiër oder Stiërkålb oder als Oxe bezeichnet werden, und wer sich dumm anstellte, wurde Joorkålb genannt. Darin steckt die Erkenntnis, dass auch Tiere eine Art Pubertät erleben und erst mit einem gewissen Alter “gescheiter” werden. Kålb, du platschnåssis! lautete ein heftiger Ausbruch gegenüber jemanden, der sich besonders naiv und ungeschickt benahm. Vielleicht eine Anspielung auf das frisch geborene, noch nasse Kalb, das seine Bewegungen nicht koordinieren kann. Vernichtend war das Urteil über jemandes Intelligenz, wenn er oder sie als Toaschtn (Kuhfladen) bezeichnet wurde. Als Huërnpock wurde ein Mann bezeichnet, der ständig sexuelle Abenteuer suchte. Weil ein bestimmtes Gastlokal in Außerpasseier eine Zeitlang mit Vorliebe von verheirateten Männern mit ihren Liebschaften besucht wurde, bekam es das Etikett Pockloch.

Ein interessantes Wort, das jetzt kaum noch gebraucht wird, ist Jarz. Es wurde vor allem für den jungen Ziegenbock verwendet und auch auf herumtollende Kinder übertragen und jarzn stand dann auch für ‘wild herumspringen’. Es geht ursprünglich sicher auf die lateinische Bezeichnung des Ziegenbocks, nämlich hircus, zurück. Ein freches Kind konnte als Råppe bezeichnet werden. Und für “Feigling” konnte man zu einer ängstlichen Person auch Henniler (einer wie eine Henne) sagen. Sau, das wir bereits bei Saufiich gesehen haben, wird auch sonst als tadelnde Bezeichnung benutzt. So in Sauhunt und Saumoogn, die beide ungefähr dasselbe bedeuten, nämlich ‘Schuft’. Als grobes Schimpfwort galt auch Facklsau für jemanden, der es sehr an Sauberkeit mangeln ließ.

Ein anderes Wort, das auf Tiere und Menschen angewandt wurde, ist ziëntern. Ursprünglich bezeichnet es wohl die leisen, aber oft lang anhaltenden Klagelaute der Mutterkühe, denen man die Kälbchen weggenommen hat, dann aber auch das Klagen der Jungtiere selbst. Übertragen beschreibt es schließlich eine besonders starke Anhänglichkeit von Kindern, die ständig am Schürzenzipfel der Mutter hängen, und ein solches Kind wird dann auch a Ziënter genannt.

Fressn wië a Pouflstiër ist nicht schwer zu erklären. Zwar ist Poufl bei uns nur das dritte Gras, aber es gilt als nicht besonders nahrhaft und in vielen Gegenden steht es für magere Weidegründe. Allgemein ist es auch die Bezeichnung für minderwertige Ware. Wenn man also einen Stier mit Poufl mästen wollte, musste er sehr viel davon fressen. Und so wandte man auch auf Leute, die viel in sich hineinschlingen, den obigen Spruch an – was in etwa das Gleiche bedeutete wie fressn wië a Drescher.

Aber Vergleiche und Schimpfnamen betreffen nicht nur Haustiere; auch Vögel und wilde Tiere können dabei ins Spiel kommen. Zwar gibt es kein Tier, das als Jochgair bezeichnet wird, aber es gibt den Spruch schraijin wië a Jochgair. Wer je im Hochgebirge den schrillen Schrei eines Raubvogels gehört hat, versteht, was gemeint ist. Drau sain wië a Gai(e)r (raffgierig wie ein Geier) kommt vielleicht da her, weil man sah, wie Geier Hühner vom Hof und Kleintiere von den Fluren forttrugen. Auch stinkn wië an Iltis gehört hierher.

Das noch in Schwaden liegende, also nicht giworpite (ausgebreitete) Gras in den Wiesen und das noch nicht in Schaibm (breite Streifen) zusammengerechte Gras in den Mähdern wurde Peer genannt. Wohl, weil, was zottlt (ungekämmt) erschien, oft mit Bären verglichen wurde. Wenn jemand mit zerrütteter Frisur erschien, gab es den Spruch: Zottlt isch der Puudlhunt, zottlt isch der Peer, wiëdn Gott derschåffn håt, zottlt er daheer (struppig ist der Pudel, struppig ist der Bär, wie ihn Gott erschaffen hat, kommt struppig er daher). Wenn die Mäher einen ganzen Stuël (Breite eines Mähstreifens) gemäht hatten, bevor die Frauen dazu kamen, mit dem Ausbreiten und Zusammenrechen anzufangen – weil sie ja inzwischen auch die Hausarbeit erledigen mussten – haben die Mäher Peer augimåcht: Sie haben schrille, weithin hörbare Töne erzeugt, indem sie mit dem Wetzstein über den Sensenrücken fuhren.

Ein gutes Beispiel für Selbstironie war, wenn jemand, der sich besonders schlapp und kraftlos fühlte, von sich selber sagte: haint hån i a Kråft wië a toater Peer. Als meine Frau aus Meran ins Hinterpasseier verschlagen wurde und dort mit ihren Lehrerkollegen Tarock spielte, hörte sie zum ersten Mal den Ausspruch: Deer håt haint an Hennintåttl in Sack (der hat sich heute eine Hühnerkralle eingesteckt), was so viel sagen wollte, wie: ‘Der hat heute so viel unverschämtes Glück, dass es nicht mit rechten Dingen zugehen kann.’ Und ein typischer Passeirer Spruch ist auch: a Glick wië a Langisfåcke (Glück, wie ein im Frühling geborenes Ferkel). Da die im Frühjahr geborenen Ferkel die schöne Jahreszeit erleben durften, denn die Schlachtung fand ja erst gegen Weihnachten statt, wurden sie im Vergleich zu Tieren, die zu einer anderen Zeit geboren wurden, als glücklich eingestuft. Wenn jemand zu jung ist, als dass er bestimmte Dinge erlebt haben könnte, dann sagt man ihm: Zem pisch duu nou mit di Pfaifålter ggflougn (da bist du noch mit den Schmetterlingen geflogen).

Pfaifålter Foto: Florian Lanthaler Pfaifålter

Tierisches wird auch für tadelnde Äußerungen benutzt, wenn man sagt, dass jemand schnooblt (freche Antworten gibt) oder riëßlt (mault); man sagt dann auch: isch dëcht dës a Riëßl! (hat der/die doch ein freches Mundwerk!). Dass es einen fuxt, wenn Dinge einfach nicht gelingen wollen, ist nicht nur bei uns so. Zu den obigen Beschreibungen von Peer passt auch derpeern, das verwendet wird, wenn etwas sehr Ordentliches zerrüttet oder durcheinander gebracht wird.

Dass saisch von Sau kommt, also früher einmal saijisch war, wie manche meinen, ist nicht ganz von der Hand zu weisen.

Dass auch Gegenden und Gelände nach Tieren benannt werden, ist weiter nicht verwunderlich. Man denke nur an den Gampsperg ober Moos und an Hoonepaam und an den Kitzkougl und die Rossgruëbm, die es bei uns gleich zweimal gibt, und Hiënderspiil.

Auch einige Ausdrücke, die mit der früheren Weidewirtschaft zusammenhängen, sind nur mehr in Geländenamen erhalten. So gibt es in Rabenstein noch eine Troote. Das war das Gelände, wo der alte Fußweg nach Moos und Ilmach von der Fröhlichwiese zum Bach hinunter ging. Die Bezeichnung kommt aus der früheren Dreifelderwirtschaft, wo es neben der Zelge (der bebaute Acker), die Brache (brach liegendes Feld) und Tratte (Feld, wo der Viehtrieb erlaubt war) gab. Zwar wurde auch bei uns noch eine Art Mehrfelderwirtschaft betrieben, indem ein Acker in einem Jahr mit Eertëpfl (Kartoffeln), dann wieder mit Gerschte (Gerste), Hoober (Hafer) oder Kourn (Roggen) belegt wurde und dann zuëliign gilåt (brach liegen gelassen) wurde. Doch geblieben ist im ganzen Dorf nur mehr der Geländename Troote, der jetzt auch verschwindet, weil niemand mehr dort vorbeigeht, seit die Straße 100 m weiter nordöstlich den Bach überquert.

Auch ein anderer Geländename kommt von der Weidewirtschaft: Traijin. Es gibt ihn noch zweimal: einmal in di Ruëner Maader und den Liëntraijin. Das ist ein Geländestreifen in der Unteren Gostalm, der in die Liënwoade hinauf führt. Es kommt von einem alten, man meint illyrischen Wort, das über das Romanische zu uns kam und für einen Viehweg stand. Es ist im Ladinischen noch als tru in der Bedeutung von Weg vorhanden und kommt in mehreren Tiroler Dialekten als Troje oder Trui für einen eingezäunten Viehweg vor.

Östlich von St. Martin am Schneeberg mitten in den Rossgruëbm – die gibt es übrigens auch über Fulfis – liegt ein großer von Moos und Gras bewachsener Findling. Das Gelände rund um diesen Stein heißt pan åltn Koat. Das Wort wird mit ‘Kot’, also ‘Schmutz’ in Verbindung gebracht und kann von einem lästigen Insekt bis zu einem großen Untier alles bezeichnen, was als grauslich oder unansehnlich eingestuft wird.

Ein weiteres Wort dieser Art steckt im Geländenamen Easchpaam. Es geht auf ein altes esban, espan zurück, für einen freien Weideplatz, wahrscheinlich für die Gemeindeweide. Das Wort gab es im gesamten süddeutschen Raum, wird aber heute kaum noch gebraucht und ist bei uns eben noch als Name eines Geländes in Dorfnähe vorhanden.

Natürlich gab es auch in der Kindersprache besondere Bezeichnungen für bestimmte Tiere. Von Jarz war ja schon die Rede. Abgesehen davon, dass man mit Kindern statt von Låmp oder Kitz eher von Lampl und Kitzl spricht, gibt es auch den Namen Kuuser oder Kuuserle für das Kalb sowie Nåtscher für das Schwein und Natscherle für das Ferkel und Pamperle für das Schaf. Der Widder hieß Wuudl, und als Kinder spielten wir Wuudl peff: wir gingen auf allen vieren aufeinander los und stießen mit den Köpfen zusammen, wie wir es von den Revierkämpfen der Widder kannten. Das verursachte ganz schöne Kopfschmerzen. Die Katze war für die Kinder natürlich die Muine. Vor dem Hund wurden die Kinder gewarnt, weil er nang-nang (beißen) tat.

Muine Foto: Florian Lanthaler Muine

Kåtzntisch hatte nicht direkt mit der Katze zu tun: Wenn am Tisch zu wenig Platz war, weil die erwachsenen Familienmitglieder und Eahåltn (Dienstboten) schon die Runde besetzten, mussten Kinder oft auf dem Kåtzntisch Platz nehmen. D.h. sie saßen auf einem kleinen Schemel und nutzten die Stubenbank als Tisch, was mir als Jüngstem oft beim Pauin (Pflügen) und Haiziëchn beschieden war.

Dass ein dummer Mensch nach dem Dompfaff Ggimpl genannt wird, ist weiter verbreitet. Und was den Kuckuck betrifft, gab es die Lebensweisheit Wenn der Ggugguu in Langis s eartemål schrait, muësch’a Gelt und a Proat in Såck hoobm, når geatsder s gånze Joor guët (Wenn der Kuckuck im Frühjahr das erste Mal ruft, musst du Geld und Brot in der Tasche haben, dann gehts dir das ganze Jahr gut). Dahinter steckt das Wissen, dass jemand, der nach dem strengen Winter noch Nahrung und Brot übrig hat, sich leicht durch die guten Jahreszeiten schlagen wird.

Ggugguu Foto: Nicholas Rizziero Ggugguu

"Tierisches"

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